Bis heute hält sich hartnäckig die These, dass es wichtig sei, beim Stillen bestimmte Abstände einzuhalten. Das ist Unsinn. Wieviel Milch die Mutter bildet, ist abhängig vom Bedarf des Kindes. Nur wenn das Kind den Zeitpunkt des Stillens selbst bestimmen darf, regelt sich die Milchmenge nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Stillen nach festen Zeitplänen oder Mindestabständen führt meistens zu Milchmangel. Darum hatten auch in den 1970er und 1980er Jahren fast alle Frauen zu wenig Milch.

1854, von Ammon:

... wie könnte eine Mutter ihr Kind beständig an ihre Brust legen? Sie erschöpft ihre Kräfte, macht sich bald zum Stillen untauglich und verdirbt den Magen und die Verdauungskräfte des Kindes. In dem Zeitraume von vier und zwanzig Stunden sechs bis acht Mal das Kind, sonach also alle drei Stunden, anzulegen, reicht in der ersten Zeit aus, später ist es hinreichend, wenn es noch seltener geschieht. Auf diese Weise gewinnt die Natur Zeit, in den Brüsten der Mutter gesunde Milch in gehöriger Menge abzusondern, und der Säugling, die getrunkene Menge zu verdauen. Die Erfahrung thut es sattsam dar, daß diejenigen Mütter, welche Muth und Beharrlichkeit genug besitzen, den angegebenen Plan zu verfolgen und die angegebenen Zeiträume streng inne zu halten, bei eigner Gesundheit gesunde Kinder erziehen, und daß selbst schwächliche Kinder bei der genannten Regelmäßigkeit dar bald kräftig und stark werden.

Von Ammon läßt sich ausführlich über die Nachteile zu häufigen Stillens aus. Außerdem beschreibt er, daß es allgemein üblich sei, die Kinder bei jedem Geschrei sofort anzulegen.

1904, Böhm:

am 1. Tag 2-3 mal stillen, am 2. Tag 6 mal stillen, ab dem 3. Tag 7 mal stillen. Ab dann 6-8 Mahlzeiten täglich. Zuerst in 3-3 1/2 Stunden Abständen, auch nachts. Später alle 2 1/2 Stunden, in der Nacht verlangt das Kind seltener oder gar nicht die Brust.

1907, Schreiber:

Vor allem ist die Zahl der Mahlzeiten zu regeln. Ein Kind, das bei jedem Geschrei sofort angelegt wird, das ganze Stunden an der Brust verbringt, wird gewiß bald überfüttert sein. Aber auch die fast überall noch übliche Sitte, alle zwei Stunden anzulegen, ist grundfalsch und genügt allein, um Verdauungßtörungen hervorzurufen.

In den ersten 3 Monaten 6 Mahlzeiten und mind. 3-Stunden-Abstände, dann 5 Mahlzeiten in 24 Stunden.

1914, Keller/Birk:

So werden in England, Amerika und Frankreich 8-10 Mahlzeiten pro Tag gegeben, bei uns in Deutschland wird die Zahl der Mahlzeiten immer mehr eingeschränkt, und es scheinen sich die vierstündlichen Ernährungspausen (5 Mahlzeiten in 24 Stunden) immer mehr in den weiten Kreisen des Volkes einzubürgern.

erstes Anlegen nicht vor 12 Stunden, nicht nach 24 Stunden. Mahlzeiten in den ersten Tagen auf 5-6 am Tag steigern. 5 Mahlzeiten reichen für gesunde und kranke Kinder vollständig aus.

1929, Krasemann:

Es sind Pausen zwischen den einzelnen Mahlzeiten erforderlich, da der Magen erst wieder in 2-3 Stunden beim Brustkind geleert ist (beim Flaschenkind in 3-4 Stunden)

Krasemann folgert daraus 3-Stunden-Abstände für Stillkinder und 4-Stunden-Abstände für Flaschenkinder.

1940, Stürgkh:

5 Mahlzeiten und 4-Std-Abstände am Tag vom ersten Tag an. Einhaltung möglichst auf die Minute genau. Ausnahmen nur aus medizinischen Gründen. Niemals in der Nacht stillen.

1955, Schlack:

In den ersten 12-20 Stunden keine Nahrung, an heißen Tagen kann ungesüßter Fencheltee löffelweise gegeben werden. Ab dem zweiten Tag 5 Mahlzeiten in 4-Std-Abständen. Zierliche, trinkschwache, schwächliche Kinder bekommen 6 Mahlzeiten in 3-Std-Abständen bis sie stärker geworden sind. Zeiten möglichst genau einhalten. Nachpause von 22-6 Uhr ist nachdrücklich anzustreben.

Oft meldet sich das Kind anfänglich nach Mitternacht. Man versuche, dies unbeachtet zu laßen. Wenn nicht möglich, lege man unter Einhaltung strengster Sachlichkeit und Kürze das Kind trocken und gebe ihm ungesüßten Fencheltee. Unter besonderen Umständen kann vom Arzt bei Krankheit oder Untergewicht als Ausnahme eine Nachtmahlzeit für nötig gefunden werden.

1972, Hofmeier/Müller/Schwidder:

In den ersten Tagen bis zum Milcheinschuß 6-10 mal stillen. Innerhalb von 2-3 Wochen wird "langsam" eine regelmäßige Mahlzeitenfolge eingeführt. 5 Mahlzeiten mit 4-Stunden-Abständen.

Selbstverständlich sollen wir einen geregelten Tageslauf bei dem Kind anstreben. Es ist aber zunächst nicht von Bedeutung, wann das erreicht wird.

In den ersten Lebenswochen darf das Kind auch 1-2 mal in der Nacht kurz angelegt werden. "Es kommt dann zu einer 6. oder gar 7.Mahlzeit. Das schadet aber nichts, denn es dauert kaum länger als höchstens 3 bis 4 Wochen, dann hat sich das Kind auf den richtigen Nachtrhythmus eingestellt und schläft ohne weiteres von der letzten Abendmahlzeit bis zur Frühmahlzeit durch.

Heute:

Innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt trinkt das Kind zum ersten mal, entweder wird es angelegt oder es findet selber den Weg an die Brust (Stichwort "breast crawling"). Ab dann mind. 8-12 mal in 24 Std stillen, nach Bedarf und ohne Uhr. Auf frühe Hungersignale achten. Das Schreien ist das letzte Hungersignal. Stillen ist nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch für die Seele.