Es ist eine Sache, was in Erziehungsratgebern gefordert wird. Es ist eine andere Sache, ob und wie Eltern diese Forderungen umsetzen. Zwischen den Zeilen lassen uns so manche Erziehungsratgeber aber auch das wissen.

Früher fiel die Aufgabe der Kinderpflege und -erziehung fast ausschließlich an Mütter und diese zogen ihre Kinder meist ähnlich groß, wie sie selber groß geworden sind. Der Einfluss der Erziehungsratgeber stieg zwar mit der Zeit, aber er stieg zunächst sehr langsam. Mütter folgten lieber ihren Instinkten.

In vielen Erziehungsratgebern des 19. Jahrhunderts wird Gehorsam von den Kindern verlangt. Ohne ihn sei eine Erziehung gar nicht möglich und manche behaupteten sogar, er sei den Kindern ein Bedürfnis.

Was ist so besonders am Willen des Kindes? Warum darf das Kind seinen Willen nicht kund geben, geschweige denn durchsetzen? Wo steht das Kind in der gesellschaftlichen Hierarchie?

Dem Kind fehlt das Wissen und die Einsicht. Das wurde als großes Manko angesehen. Kinder seien noch keine fertigen Menschen. Sie seien noch im Werden begriffen. Das Wissen sollte aber über den Instinkt herrschen.

In dem Nachschlagewerk "Mutter und Kind - Ein Lexikon der Kinderstube" steht unter dem Buchstaben A auch der Begriff "Angst". Das Buch erschien Ende des 19. Jahrhunderts und beinhaltet unter anderem harte Tipps zum Abstillen und Ratschläge zur Ammenhaltung. Die Autorin schrieb unter dem Namen J. von Wedell. Sie war eine Adlige und offenbar sehr wohlhabend. Was für Ansichten hatte so jemand über kindliche Angst?

Gehorsam gehört seit Ewigkeiten zu den höchsten Erziehungszielen. Auch heute noch spielt Gehorsam der Kinder für viele Eltern eine große Rolle. Doch der Grad des erstebten Gehorsams ist heute längst nicht mehr so groß wie früher. Blinder Gehorsam musste es sein. Heute reden wir lieber von Kooperation und suchen den Fehler nicht allein im Kind, wenn es mit der Kooperation nicht so klappt wie gewünscht. Das Miteinander ist wichtiger als die Befehlsgewalt und wir wissen, dass Kinder prinzipiell kooperieren wollen. Sie wünschen sich genauso ein harmonisches Miteinander wie wir Großen.

Ob eine Erziehung "nicht geschadet" hat, hängt auch damit zusammen, was diese Erziehung erreichen sollte.

Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt, 1924:

§1. Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. (...)