Engagierte Großeltern können ein wahrer Segen sein. Eine helfende Hand zu haben ist eine große Entlastung im Alltag mit Kind, Haushalt, Job und sonstigen Verpflichtungen. Wenn allerdings die Vorstellungen über den Umgang mit dem Kind zu weit auseinander gehen, dann können schwere Konflikte entstehen. Gerade beim ersten Enkelkind müssen sich nicht nur die frisch gebackenen Eltern in die neue Situation einfinden. Auch die Großeltern müssen häufig erst noch lernen, dass vieles heute anders gemacht wird, als sie es kennen.

Die werdenden Großeltern freuen sich sicher nicht nur auf das Baby, sondern auch darauf, die jungen Eltern an ihren Erfahrungen teil haben zu lassen. Vielleicht ist es Oma und Opa bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass man ganz grundlegende Dinge heute anders machen könnte als damals, als ihre eigenen Kinder klein waren. Sie mussten sich ja seit Jahren mit diesen Themen nicht mehr beschäftigen. Nun ist das Baby endlich da und es muss nicht nur eine große Überraschung, sondern teilweise richtig schockierend für die Großeltern sein, so gravierende Unterschiede zu entdecken. Und dann kommen die Sätze, die eine junge Mutter gar nicht hören mag. Häufig kommen sie von der Oma.

"Lass ihn doch mal schreien."

Keine Mutter hört ihr Kind gerne schreien. Unser Instinkt hält uns an, das Kind auf zu nehmen und ihm zu helfen. Doch Oma lächelt da nur drüber. An das Geschrei müsse sich die junge Mutter schon gewöhnen. Babys schreien nun mal. Außerdem sei das gut für die Lungen. Der wohl am häufigsten gehörte Vorwurf ist, dass man sein Kind damit verwöhne. Oma warnt davor, dass das Kind zum Tyrannen würde, wenn man jedes Mal "springt", sobald das Kind weint.

Lange Zeit dachte man, dass kleine Babys insbesondere in den ersten drei Monaten keine weiteren Bedürfnisse hätten als trocken, satt und ausgeschlafen zu sein. Man nannte es "das dumme Vierteljahr". Man ging davon aus, dass Kinder aufgrund des noch nicht ausgebildeten Verstandes nicht wissen können, was gut für sie ist. Dem Instinkt des Kindes und auch der Mutter wurde keine Bedeutung zugemessen. Instinkt und Gespür galten als etwas niederes. Vernunft und Verstand hatten darüber zu stehen.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nur logisch, dass man über dem Weinen des Kindes stehen und zu seinem Besten die Vernunft über den Instinkt siegen lassen soll. Wenn man diese Denkweise verinnerlicht hat, muss es da nicht besorgniserregend sein, wenn die Eltern dem Kind anscheinend die Führung überlassen? "Kann das gut gehen?", fragen sich die Großeltern. Sie sind ja überzeugt von dem, was sie gelernt haben und was sie bei ihren eigenen Kindern gemacht haben. Sie empfinden das Verhalten der jungen Eltern bestenfalls als "Irrtümer der Unwissenden" oder schlimmstenfalls als Angriff auf ihren eigenen Erziehungsstil und können entsprechend belehrend oder abweisend reagieren. Das Schreienlassen ist dabei meist der erste von vielen Streitpunkten.

"Tragen ist schlecht für Babys Rücken."

Das Kind in einer geeigneten Tragehilfe zu tragen, hat viele Vorteile. Für das Baby sind dies beispielsweise die körperliche Nähe und Geborgenheit, aber auch Schulung des Gleichgewichtssinnes und Stärkung der Muskulatur. Für die Mutter ist es praktisch, die Hände frei zu haben. Es ist offensichtlich auch rücken- und armschonender als auf dem Arm zu tragen. Außerdem unterstützt das Tragen die Kommunikationsfähigkeit von Mutter und Kind. Das heißt, dass die Mutter schneller lernt, was ihr Kind ihr mitteilen will. Gleichzeitig lernt das Kind, deutlichere Signale zu geben.

Früher jedoch haben die Eltern gelernt, dass es für die körperliche Entwicklung äußerst wichtig sei, dass Babys viel liegen. Experten waren der Meinung, dass der Rücken des Babys schief wachsen würde, wenn es zu viel getragen würde. Wie beängstigend muss es dann sein, sein Enkelkind mit rundem Rücken und angewinkelten Beinchen im Tragetuch zu sehen?

"Stillst du etwa schon wieder?"

Die Nachfrage regelt das Angebot. Wie in der Wirtschaft so auch beim Stillen. "Stillen nach Bedarf" heißt darum heute die Devise. Wann immer das Baby Hunger anmeldet, darf es stillen. Nur so kann sich die Milchbildung der Mutter auf den Bedarf des Babys einstellen. Größere Babys können auch schon mal ein bisschen warten, aber die ganz Kleinen sollten ohne Blick auf die Uhr gestillt werden.

Das haben unsere Mütter noch ganz anders gelernt. Früher hieß es, das Baby dürfe nur alle 3-4 Stunden angelegt werden und dann auch nur 15-20 Minuten trinken. Wenn es sich früher meldete - und das taten genau wie heute die meisten Babys - dann sei das ein Zeichen dafür, dass die Milch nicht reiche. So wurde mehr und mehr zu gefüttert. Die Milchbildung ging immer weiter zurück, da die Nachfrage an der Brust nicht mehr stimmte. Kein Wunder, dass die meisten Frauen dachten, es liege an ihrer eigenen Unfähigkeit, dass sie nicht stillen konnten. Doch mit diesen Regeln konnte es kaum klappen. Da die Zeitangaben damit begründet wurden, dass sie für die Gesundheit der Kinder notwendig seien, wurde auch kaum daran gezweifelt. Wenn man aber gelernt hat, dass Babys in festen Abständen gefüttert werden müssen, wie befremdlich muss es dann sein, wenn das Enkelkind nun nach Bedarf gestillt wird?

"Wann gibst du ihr denn mal was richtiges?"

Muttermilch oder geeignete Ersatzmilch ist in den ersten sechs Monaten das einzige Nahrungsmittel, das ein Säugling braucht. Doch egal, ob mit Flasche gefüttert oder gestillt wird, können es die Omas meist kaum erwarten, den Kleinen etwas essbares in die Hand zu drücken oder sie mit Brei zu füttern. Früher wurde den Kindern teilweise schon mit sechs Wochen Möhrchenbrei in die Milchflasche gegeben. Beikost mit dem Löffel gab es spätestens mit 4 Monaten. Dem Milchpulver fehlten damals noch wichtige Zusatzstoffe, die dann eben über die Beikost ins Kind gebracht werden mussten. Da ja zudem durch die vielen Fütterungsregeln das Vertrauen in die eigene Stillfähigkeit zerstört wurde, fällt es Oma nun schwer zu glauben, dass Muttermilch oder Ersatzmilch so lange reichen können. Sie kennt das gar nicht, denn auch ihre Freundinnen haben nicht so lange mit der Beikost gewartet wie ihre (Schwieger-)Tochter.

Wenn man gelernt hat, dass Babys schon mit wenigen Wochen Brei brauchen, damit sie alle wichtigen Vitamine bekommen, wie ungesund muss es dann wirken, wenn der Enkel 4-6 Monate lang keine Beikost bekommt?

"Das hat euch auch nicht geschadet."

Sprüche von Oma können verärgern und verunsichern. Oma meint es nur gut, aber die junge Mama fühlt sich kritisiert und angegriffen. Dementsprechend beleidigt oder wütend reagiert sie und dann ist auch noch Oma eingeschnappt.

Da hilft nur einmal tief durch zu atmen. Wir jungen Mütter wünschen uns mehr Verständnis und Unterstützung von den Großeltern. Wir wollen, dass unser Umgang mit dem Kind respektiert wird und man uns nicht rein redet. Doch wie sollen die Großeltern das tun, wenn sie doch ganz anderes gelernt haben? Zu Omas Zeit war das richtig, was sie sagt und vorschlägt. Natürlich wollen auch die Großeltern nur das Beste für ihre Enkel und auch das Beste für ihre eigenen Kinder. Für uns. Sie wollen uns ersparen, dass wir uns "das mit dem Stillen" antun, denn sie haben das Stillen als schwierig und umständlich kennen gelernt. Sie wollen uns davor bewahren, unsere Kinder zu verwöhnen, damit uns die Ansprüche der Kinder nicht ans Ende unserer Kräfte bringen. Sie wollen ihre Enkel schützen vor unzureichender Ernährung und schlechten Gewohnheiten. Wie schwierig und vielleicht auch belastend muss es da sein, jetzt festzustellen, dass alles falsch gewesen sein soll, was sie gelernt und getan haben?

Oma weiß es nicht besser. Woher auch? Sie kann es nur durch uns lernen und das erfordert Geduld und Verständnis auf beiden Seiten. Was wir von ihr fordern, müssen wir ihr auch selber entgegenbringen.