Zum Abschluss der Themenwoche "Kinder im Krankenhaus" möchte ich einige ehemalige Patient'innen bzw. deren Eltern zu Wort kommen lassen. Mein eigener Erfahrungsbericht findet sich hier.

Susanne:

Durch Zufall bin ich auf Deinen Beitrag über die OPs bei Babys ohne Narkose gestossen. Ich denke, auch ich bin im Alter von 5 Wochen ohne Narkose operiert worden. Das war in Stuttgart 1967 - am Magenpförtner.

Ich hatte schon immer Horror vor Ärzten und Krankenhaus und das Gefühl irgend etwas ist da nicht richtig. Nur durch Zufall habe ich erfahren, dass man früher wohl ohne Narkose Babys operiert hat.

Ich besitze noch Tagebücher meiner Mutter. Dort kann man lesen, dass ich 3 Wochen im Krankenhaus lag. Vor dem Eingriff war ich wohl festgeschnallt und mit Schläuchen verbunden und habe nur geschrien - ein schrecklicher Anblick für meine Mutter. Mein 10 Jahre älterer Bruder erzählte mir, dass es die ganze Familie stark belastet hätte. Meine Eltern haben mich nicht täglich im Krankenhaus besucht - eher nur an den Wochenenden- wir haben damals 40 km entfernt von Stuttgart gewohnt.

Das ist nun alles über 50 Jahre her und ja es ist eine Schande, dass darüber nicht geschrieben wird. Habe ich es jemandem erzählt, wurde das kaum geglaubt - eine Operation ohne Narkose- unglaublich! Danke, dass Du darüber schreibst. Ich habe es ja zum Glück überlebt und kann nun auch so manches besser zuordnen. Eine Entschädigung wird es sicher nicht geben- wer sollte das zahlen? Das Krankenhaus, dass mich damals operiert hat gibt es garnicht mehr...

Es ist gut, dass man darüber berichtet und nicht alles verschweigt - es gibt immer Fehler, doch man kann daraus lernen und es besser machen. Zum Glück sind wir schon weiter und Babys werden behutsamer behandelt.

Alexandra:

Ich war ca mit 5 Jahren im KH (vor 25 Jahren) in Wien. Damals wurde ich zum Blutabnehmen hin gelegt und fixiert. Meine Mutter durfte nicht dabei sein. Es war ein 6-Bett-Zimmer. Das Bett hatte Gitterstäbe, so dass ich nachts nicht aufstehen konnte, wenn ich auf die Toilette musste, es hat einen auch keiner gehört, wenn man rief. Ich musste auch alleine im KH bleiben.

Meine Tochter war letztes Jahr im selben Alter im KH. Ich durfte bei ihr übernachten und sie schlief auch bei mir im Bett. Die Medikamentengabe über die Vene fand nachts statt, so dass sie es nicht mal gemerkt hat. Das Zugang-legen war ein wenig ein Drama, aber ich durfte bei ihr bleiben und sie streicheln. Ich war die ganze Zeit bei ihr und wir haben ausgiebig gespielt - sie fand es so toll, sie würde jederzeit wieder gern ins KH und redet noch heute davon.

Rebecca:

Direkt nach der Geburt musste meine Tochter auf Intensiv. (2012) Antibiotika für alle...
Außer einer jungen Schwester hat niemand versucht zu verstehen, wie sich die Situation für mich anfühlt. Kaum Unterstützung bei den Still-Versuchen. Und wenn doch, waren sie kontraproduktiv. (Brust ungefragt anfassen, Bewertung der Brustgröße= Still Freundlichkeit, auslachen) Ich durfte nicht bei meinem Kind schlafen und wurd raus geschickt wenn Ärzte kamen.

Nr. 2, Kind 2,5 Jahre alt, OP an den Polypen. (Nov 2014) Keinerlei Einigung mit Schwestern möglich. Programm läuft so, anderes darf es nicht sein.
Meine Kleine sollte in einem Gitterbett schlafen und ich daneben auf einem Klappbett. Da sie in dieser Umgebung nicht zur Ruhe gekommen ist, habe ich sie aus dem Bett geholt und auf mir schlafen lassen. Mitten in der Nacht kommt eine Schwester rein, macht das Licht an und schreit mich an. "Warum das Kind nicht in ihrem Bett ist". Ich war total geschockt und konnte gar nicht reagieren.

Mir ist klar, dort arbeiten auch Menschen. Und diese haben viel Arbeit für zu wenig Lohn. Trotz allem denke ich, wenn sich jemand dazu entschlossen hat in einem sozialen Bereich zu arbeiten, sollte er auch Empathie mitbringen.

Ana:

Mit 14 Monaten, Noro, die Stationsärztin war doof, aber wir hatten zum Glück Chefarztbehandlung und der war großartig. Er und die Pflegerinnen fand es toll, dass Kind noch stillt. „Eigentlich sollte sie nun mit Schonkost anfangen, aber wenn Sie stillen ist das natürlich viel besser“

Und auch der Arzt in der Notaufnahme war ganz toll und hat gleich gesagt, dass das Kind keinesfalls ohne Elternteil in der Klinik bleibt. Bei K2 stand mit 9 und mit 10 Jahren ein stationärer Aufenthalt im Raum. Auch da meinte das Personal gleich, dass jemand beim Kind bleiben darf.

Sandra:

1979 und 1983 als 6- bzw. 10-jährige war ich öfter im Krankenhaus. Es gab keine Kinderstation, also fast immer mit alten keifenden Omas das Zimmer geteilt. Meine Mama durfte nur nachmittags eine Stunde zu Besuch kommen. Geweckt wurde ich durch eine rektale Temperaturmessung. Jeden Morgen. Mitten in der Nacht haben sie mich geweckt und gefragt, ob ich abends dieses oder jenes Medikament bekommen habe, und dann wurde es einfach nochmals gespritzt und das, ohne die Vene zu treffen und ich habe geschrien vor Schmerzen. Dafür wurde ich dann noch ausgeschimpft. Und als ich 10 war haben sie mir einen eingewachsenen Wattetupfer ohne Betäubung mit einer langen Pinzette aus der Nase gerissen - den hatten sie bei einer OP ein halbes Jahr vorher drin vergessen. Und mir unter Drohungen gesagt, dass ich das gar nicht meinen Eltern erzählen muss. Das würde mir eh keiner glauben...

Meine Kinder waren nie unbegleitet im Krankenhaus. Aber die Behandlung war nicht so viel besser. Man muss als Eltern ständig bohren und nachfragen um Informationen zu bekommen.

Melly:

Wir wohnen im Berliner Speckgürtel. Neben durchgehend nettem Personal ist mir bei unseren Krankenhausaufenhalten folgendes damals aufgefallen (Kind war noch nicht ganz 2 Jahre)

Ehemaliges Ost-KH: da bemängelten die älteren Krankenschwestern und Ärzte immer wieder, dass das Kind noch nicht aufs Töpfchen ging.
Im West-KH wurde immer kritisiert, dass ich noch stillte. Deswegen wurde mir bei einem Aufenthalt sogar mal ein Psychologe auf den Hals gehetzt, der klären sollte, wieso ich das tue ... von wegen Bindung und loslassen. Wickeln war da kein Problem, dafür hat sich in dem Brandenburger KH niemand übers Stillen geärgert.

Was mich damals noch geärgert hat, waren so Dinge wie z.B. das Blutabnehmen in einem KH - ja es war wichtig, aber mein Kind durfte nicht auf meinem Schoß sitzen, es ging nur im Liegen und sie wurde von der Schwester fixiert gehalten Ich durfte nicht streicheln, die Ärztin nahm Blut ab, das Kind brüllte wie am Spieß und als ich sagte, ich möchte das so nicht, wurde ich völlig übergangen; ich solle mich nicht so haben. Ich fühlte mich total entmündigt und habe heute immer noch ein schlechtes Gefühl deswegen, weil ich nicht helfen konnte. Und Ja ich fand es unfassbar, dass sie Dinge über meinen Willen hinweg getan haben.

Stefanie:

Ich war als Kind sehr oft im Krankenhaus. Ich hatte Verdacht auf Morbus Crohn. Meine Mutter hat mich dann neben zahlreichen stationären Aufenthalten irgendwann alle paar Wochen ins KH gebracht für einen Einlauf... teilweise auch nur "prophylaktisch", damit es nicht wieder stationär endet. Irgendwann entschied man, mir den Blinddarm herauszunehmen. Als Test! Könnte ja vielleicht daran liegen, dass ich immer Bauchweh und Verstopfungen habe. Der Blinddarm war aber nicht entzündet und heute weiß man, er war auch nicht der Grund... Nach der OP hatte ich eine schwere Infektion und musste 2 Tage später wieder in den OP. Ich lag wochenlang mit Drainage in einem Einzelzimmer, aus den Schläuchen lief Blut und Eiter in einen Beutel, den man mir unter Schmerzen wechselte. Und ich sah aus dem Fenster nur das nächste Hochhaus... Es war die Hölle. Ich war da 7 Jahre alt... Und bis heute sind die Narben ganz hässlich eingedrückt und komisch verwachsen. Jeder Arzt der das sieht fragt mich bei welchem Metzger ich war...

Seitdem hatte ich auch eine Phobie gegen OPs... So sehr, dass ich meine Tochter mit Biegen und Brechen aus Beckenendlage spontan geboren habe. Obwohl die Ärzte am Ende nicht mehr überzeugt davon waren, dass ich das tun sollte. Das CTG war immer mal wieder schlecht. Ich habe unterschreiben müssen, dass ich das gegen ärztlichen Rat will... Es ist alles gut gegangen. Ich hab drauf vertraut dass ich das schaff...

Das Problem mit dem Darm ist übrigens, nach dem ich als Teenager noch Colitis Ulcerosa Verdacht hatte, nur ein Reizdarm, der sich eben mal in Verstopfung und mal in Durchfall äußert. Yay.

Meine Tochter lag mit 1,5 Jahren im KH wegen dem RSV Virus. 6 Tage 40°C Fieber und blaue Lippen und Finger. Sie wurde tagelang beatmet etc. Aber ich durfte mit auf Station bleiben bzw es war sogar aus psychischen Gründen von allen höchst erwünscht.

Das gab es damals auch nicht... Dort bin ich auch im Kleinkindalter allein gelassen worden... Für meine Mutter war das Neuland, dass man drum bat, die Eltern mögen bitte stationär bleiben. Sie selber hatte man als Kleinkind wochenlang allein auf Kur geschickt.

Ich find es gut wie es jetzt ist. Und hab auch wieder mehr Vertrauen in Ärzte fassen können

Nina:

Als Kind hab ich die Polypen rausbekommen. War toll! Tonnenweise Eis!

Inke:

Ende der 70er war ich als Kleinkind alleine in der Klinik. Im Gitterbett. Morgens grün und blau vor Toberei und Angst.

Jetzt mit meinen Kindern war ich immer dabei, durfte offiziell nicht mit den Kindern zusammen in ein Bett, aber das hat niemand beanstandet, nie.

Danny:

Ich musste als Neugeborenes wieder zurück in die Klinik, weil meine Werte so schlecht waren und ich ganz schlimme Gelbsucht hatte. Meine Mutter durfte mich nur besuchen, dort bleiben gab es damals noch nicht.

Mit 7 hab ich die Mandeln raus gekriegt und war alleine im KH weil meine Mum noch ein Baby daheim hatte und weil die Eltern damals nur als Selbstzahler da bleiben durften. Ich fand das aber klasse; im spielzimmer war immer was los und das Mädchen in meinem Zimmer war in meinem Alter. Wir haben uns gut verstanden. Ich war aber auch immer der Typ pflegeleicht. Mit meiner Tochter könnt ich sowas nicht machen.

Anne:

1972, 5jährig in Stuttgart in einem Krankenhaus. Mandel OP. Mit ca 6 anderen Kindern in einem Zimmer. Alle Schwestern waren Ordensschwestern. Ganz fiese Frauen, die mich allabendlich angekeift haben, weil ich Tee wollte. Tagsüber ging es, da wir Kinder zusammen gespielt haben. Besuch ging nur ohne Geschwister, also konnte mich niemand besuchen.

Letizia:

3 mal als Kind im Krankenhaus. Alles keine guten Erfahrungen. 1. OP war Mandel OP mit 5 (1992) lag mit einem Jungen und jede Nacht einem anderen schreienden Baby im Zimmer. Meine Eltern kamen in der Woche ein Mal zu Besuch. War zu weit weg von zu Hause. Aus Langeweile bin ich stündlich auf Toilette gegangen über den Flur. Das gab Ärger von den Schwestern.

2./3. OP waren Leistenbrüche 1993. Nie in einem Zimmer mit Kindern gelegen. Entweder Jugendliche oder alte Leute. Immer so 3-6 Personen-Zimmer. Nach der ersten OP fehlten die Bettgitter. Ich erwachte nach der OP und wollte aufstehen. Fiel hin und blieb liegen bis der Besuch kam. Hatte solche Schmerzen, deshalb konnte ich nicht aufstehen. Nach mir gesehen hatte scheinbar keiner in der Zwischenzeit. Weil die Woche so extrem langweilig war, habe ich versucht auszubüchsen. Ich war sogar schon im Foyer des Gebäudes. Dann kam aber mein Opa zufällig und sammelte mich ein. Sonst wäre ich wohl allein durch die Stadt gelaufen. Hat niemand mitbekommen. Beschäftigt wurde sich nie mit einem. Eltern kamen auch nicht täglich vorbei und wenn, dann nur kurz. Das einzige Positive war, dass ich meinen Kuscheltierhasen bis zum OP mitnehmen durfte, wenn schon keine Eltern dabei sein konnten. So allein als Kind hat man ziemlich Angst gehabt.

Melanie:

Ich selber war nur ein einziges Mal in meinem Leben im Krankenhaus. Da war ich gerade drei Wochen alt. (1982) Meine Eltern waren ihrer Zeit ziemlich voraus und haben sich geweigert, mich dort abzugeben und zwei Wochen später wieder abzuholen. Sie haben darauf bestanden, mich täglich mehrere Stunden zu sehen. Das war aber mehr der Einzelfall. Vielleicht war meine Abneigung gegen Krankenhäuser auch darin begründet...

Ich konnte mir auch bei den 4 Geburten nicht vorstellen, in ein Krankenhaus zu gehen, und habe das auch nicht getan. Ich selber habe schon relativ ausgeprägte Verlustängste. Ob das damit zusammenhängt, oder nicht... Wer weiß das schon?! An meiner Kindheit an sich liegt es sicher nicht, denn ich habe viele Jahre bei meinen Eltern im Familienbett geschlafen und wurde rundherum umsorgt und niemals weinen gelassen und so weiter.

Meine eigenen Kinder waren zum Teil schon im Krankenhaus. Meine Tochter musste zweimal operiert werden, da habe ich mich allerdings jeweils geweigert, sie über Nacht dort zu lassen, da ich nicht hätte übernachten können. Ich habe sie auf eigene Gefahr mit nach Hause genommen, da ich zu Hause ebenso überwachen kann, ob sie Fieber bekommt oder ähnliches. Mein Sohn wiederum ist über Nacht im Krankenhaus geblieben, der war aber auch schon 15 Jahre alt und für den war es natürlich kein Problem. Bei meiner Tochter fand ich es sehr unglücklich, dass man die Kinder wach im Fahrstuhl abgeben muss, bevor sie runter in die Narkose gehen. Meine Tochter ist nun ein sehr abgeklärtes Kind gewesen und war mit ihren 5 Jahren damit völlig einverstanden, bei meinem großen Sohn hätte das in dem Alter überhaupt nicht funktioniert. In diesem Falle hätte ich mich auch geweigert, dort zu gehen.

Weitere Beiträge der Reihe "Kinder im Krankenhaus"

"Elternschule" in der Kritik

Dieses Mädchen ist nicht schüchtern

Elternbegleitung im Kinderkrankenhaus

Forschung zu den Folgen von Krankenhausaufenthalten für Kinder