Teil 3 - Der NS-Staat und seine Erziehungspropaganda

Als ich 2007 anfing, mich konkret damit zu beschäftigen, wo die ganzen abstrusen Säuglingspflege-Regeln her kommen, die mir als Stillberaterin begegneten, las ich natürlich auch das Buch von Sigrid Chamberlain über Johanna Haarer. "Prima," dachte ich, "da steht ja alles drin, was ich über Johanna Haarer wissen muss. Dann kann ich mich ja auf andere Zeiten und andere Werke konzentrieren."

Alle Säuglingspflegebücher aus der NS-Zeit, die mir in die Finger gerieten, schienen im Vergleich mit Chamberlains Beschreibung genauso schlimm zu sein, wie das von Johanna Haarer. Mir wurde schnell klar, dass ihr Buch nur eines von vielen war. Eines, das die Eltern kaufen mussten, wohingegen andere Bücher in ähnlich großer Auflage vom NS-Staat kostenlos an die Eltern oder Frischvermählten verteilt wurden.

Teil 2 - Vorläufer der Schwarzen Pädagogik

Die Schwarze Pädagogik war nicht einfach plötzlich da. Genauso wenig, wie Nazis einfach plötzlich da waren. Der Weg zur Schwarzen Pädagogik begann gute 100 Jahre vor dem Dritten Reich. Anhand von Erziehungsratgebern lässt sich ein ziemlich gradliniger Verlauf von bedürfnisorientierter zu bindungsschädigender Säuglingspflege nachverfolgen. Vor allem sehen wir, dass die Ursprünge der destruktiven Erziehungsmethoden in (vermeintlich) gesundheitsfördernden Pflegeanweisungen lagen.

Teil 1 - Wie Johanna Haarer heute wahrgenommen wird

Johanna Haarer (1900-1988) war Autorin der NS-Erziehungsratgeber "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" und "Unsere kleinen Kinder". Insbesondere das erstgenannte Werk ist berühmt-berüchtigt. Es gibt einige wissenschaftliche Arbeiten zu Haarer und ihren Büchern, die darstellen, wie weitreichend ihr Einfluss war. "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" erschien erstmals 1934. Bis Kriegsende sollen nahezu 700.000 Exemplare verkauft worden sein. Die letzte Auflage von 1987 warb mit über 1 Million verkauften Exemplaren. Zudem diente es als Lehrbuch für Mütterschulungskurse und in Berufs- und Fachschulen für Kinderpflegerinnen, Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen [Quelle]. Es ist also unbestritten, dass diese Bücher nachhaltig auf die Erziehung in deutschen Kinderstuben einwirkten.

Ja, heute ist Blogtag. Nein, ich habe heute nicht gebloggt. Also nicht so, wie ich wollte. Drei Mal hab ich alles über den Haufen geschmissen. Nicht, weil ich nicht voran kam, sondern weil ich mich bei der Recherche in den Untiefen der Online-Bibliotheken verloren habe.

Die Säuglingspflegefibel von Ordens- und Krankenschwester Antonie Zerwer (1873-1956) ist ein Lehrbuch für die oberen Klassen der Volks- und höheren Mädchenschulen, also für Mädchen im Alter von ca. 10 bis 16 Jahren. Die erste Auflage erschien 1912 während die Autorin im berühmten Kaiserin-Auguste-Viktoria-Säuglingsheim in Berlin arbeitete, dessen Leitung sie 1924 übernahm. Sie war auf Wunsch des Arztes Arthur Keller 1908 von Magdeburg nach Berlin gekommen.

"Karl und Marie" ist eine Sammlung von Erzählungen von Elise Averdieck. Sie ist gedacht für Kinder von fünf bis neun Jahren und erschien in der ersten Auflage 1851. Im Kapitel "Der vierundzwanzigste December" erfahren wir, wie die Geschwister Marie (6 Jahre alt), Karl (4 Jahre alt) und Elisabeth (1 Jahr alt) den Tag bis Heilig Abend verleben.

Wer sich auch nur ein bisschen mit der Geschichte der Erziehung beschäftigt, um heraus zu finden, warum wir so erziehen, wie wir erziehen, oder warum wir so erzogen wurden, wie wir erzogen wurden, der kennt den Namen Johanna Haarer.

Johanna Haarer war Ärztin und Autorin von Erziehungratgebern. Diese waren nicht nur Bestseller im Dritten Reich, sondern sind auch noch bis weit in die 1980er Jahre hinein verlegt worden. Es ist offensichtlich, dass Johanna Haarer und ihre grausamen Erziehungsregeln viele Mütter beeinflusst haben. Doch wir kennen den Namen Haarer nicht wegen ihrer eigenen Bücher, sondern wegen des Buchs, das über sie geschrieben wurde.