Dr. Thomas Joseph Lauda erklärt uns, unter welchen Umständen das Baby sicher im Bett der Mutter schlafen kann. Seine Ausführungen sind erstaunlich ähnlich zu heutigen Empfehlungen. Darum vorweg erst mal die aktuellen Empfehlungen zum Co-Sleeping und Bed-Sharing des Schlaflabors der Universität Durham. Dieses wird geleitet von Professor Helen Ball.

- Das Baby soll flach auf dem Rücken liegen
- Es sollen sich keine Gegenstände im Bett befinden, wenn das Baby im eigenen Bett schläft. Auch keine Kissen und Babynestchen.
- Die Umgebung des Babys soll sowohl tags als auch nachts rauchfrei sein.

Wenn das Baby bei den Eltern schläft,
- sollen Kissen und Decken der Eltern vom Baby fern gehalten werden.
- das Baby nicht aus dem Bett fallen können.
- das Bedsharing nicht auf einem Sofa oder ähnlichem stattfinden, sondern im Bett.
- Tiere oder andere Kinder sollten nicht mit im Bett sein.

Bedsharing sollte nicht stattfinden, wenn
- ein Elternteil raucht,
- Alkohol konsumiert wurde,
- Medikamente oder Drogen genommen wurden, die schläfrig oder weniger aufmerksam machen,
- das Baby zu früh geboren wurde oder sehr klein ist.

Das Schlaflabor der Universität von Notre Dame unter der Leitung von Professor James McKenna hat außerdem eine ausführliche Liste von Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Wichtig zu wissen ist noch, dass sich die Schlafrythmen von Eltern und Babys beim Co-Sleeping aufeinander einstellen und insbesondere Stillende (auch nach dem Abstillen) im Schlaf sehr feinfühlig auf Signale des Babys reagieren.

Heute brauchen wir Universitäten und ausgeklügelte Studien, um diese Dinge zu beweisen. Doch wenn ich folgende Ausführungen von Dr Thomas Joseph Lauda aus dem Jahr 1855 lese, beschleicht mich das Gefühl, dass all das eigentlich gesellschaflich anerkannte Norm sein sollte. Es wird schmerzlich bewusst, dass uns dieses instinktive Gespür für die Bedürfnisse von Eltern und Kindern in der Zwischenzeit aberzogen wurde.

"Gemeiniglich sind Mädchen in mannbarem Alter sehr träge und schläfrig. Nichts fällt ihnen beschwerlicher, als spät schlafen gehen und zeitlich aufstehen zu müssen. Sind sie aber Mütter geworden: so ändern sie sich in dieser Hinsicht so auffallend, daß sie sich selbst darüber wundern. So schwerfällig sie früher waren , so flink werden sie jetzt durch die Liebe zum Kinde. Wenn diese Liebe nicht wäre: wer würde die armen, hilflosen Kinder pflegen! Die mütterliche Sorgfalt macht die Frauen ungemein vorsichtig, und gibt ihnen die meisten Vortheile bei der Kinderpflege an die Hand.

Mehrere Frauen versicherten mich, weit ruhiger zu schlafen, wenn sie den Säugling an ihrer Seite fühlen, und nicht begreifen zu können, wie manche Mutter so ungeschickt sein kann, ihr Kind im Schlafe zu erdrücken. Es gibt vielleicht kein Beispiel, daß ein Thierweibchen sein Junges erdrückt habe. Mir ist wenigstens kein Fall bekannt, daß eine Haushenne, die doch gar nicht selten mit ihren Flügeln 15 und noch mehr Küchelchen erwärmen muß, nur Eines von diesen zarten Thierchen auf diese Art um's Leben gebracht hätte.

So glücklich sind jedoch nicht alle Menschenmütter. Zum Beweise aber, daß eine liebevolle, gesunde Mutter, die der Natur getreu lebt, und sich überhaupt eines ordentlichen Lebenswandels befleißt, ihr Kind unmöglich erdrücken kann, muß ich von jenen Verhältnissen sprechen, unter welchen sich dieser traurige Fall ereignete.

Keine Mutter sollte ihr Kind zu sich in's Bett nehmen, die es nicht selbst säugt. Solche Frauen empfinden niemals den hohen Grad von Liebe zu ihren Kindern, wie jene, welche dieselben an der Brust ernähren. Ohnehin würden die Neugebornen an der Seite der nicht säugenden Mütter wenig Ruhe genießen, da diese Frauen meistens kränkeln, und viele Nächte schlaflos dahin bringen"

Natürlich weiß Lauda nichts von Hormonen und dergleichen, die unsere Verhaltensweisen und unsere Körperreaktionen steuern. Für ihn sind diese Beobachtungen daher ein Zeichen von Liebe. Speziell von Mutterliebe. Es ist nachvollziehbar, dass dies die einzige Erklärung für die Schicherheit von Co-Sleeping ist, die er finden kann. Natürlich hat es in Wirklichkeit nichts damit zu tun, wie sehr eine Mutter ihr Kind liebt, aber dass die Person, die das Bett mit dem Baby teilt, eine Bindung zu diesem haben muss, damit das Bedsharing sicher sein kann, ist korrekt.

"Auch den Ammen sollte man es niemals erlauben, mit dem Säuglinge in einem und demselben Bette zu schlafen. Diese Dirnen fühlen, besonders wenn ihr eigenes Kind am Leben ist, eine große Abneigung zu dem fremden Säuglinge. Zwar benehmen sie sich vor den Eltern, als ob sie dem Kinde noch so gewogen wären; dieß ist vorzüglich da der Fall, wo sie gute Bezahlung zu hoffen haben, und sehnlichst wünschen, nicht aus dem Dienste entlassen zu werden. Man muß sie aber unbemerkt beobachten, und man wird sich überzeugen, wie roh sie gemeiniglich mit dem armen Kinde verfahren, und mit welchem Widerwillen sie dasselbe, vorzüglich Anfangs der Säugung, an die Brust legen. Es ist zwar nicht zu läugnen , daß sich diese Abneigung mit der Zeit vermindert, und daß sie bei besseren Ammen sogar gänzlich verschwindet. Dessen ungeachtet wird aber die Amme, wie es sich jede Frau leicht vorstellen kann, niemals jene heiße Liebe zu dem Säuglinge empfinden, wie die eigene Mutter, die das Säugungsgeschäft selbst besorgt. Wer kann eine Mutter ersetzen? „ Nicht einmal ein Vater eine Frau;“ sagt Jean Paul."

Es ist mal wieder bemerkenswert, wie negativ Ammen hier dargestellt werden. Dass ihnen pauschal unterstellt wird, sie würden das Baby schlecht behandeln, steht in keinem Verhältnis zu der berechtigten Warnung, dass die Amme es nicht mit ins Bett nehmen soll, solange sie keine Bindung zu ihm aufgebaut hat.

Der Hinweis, dass stillende Mütter die größte Form der Liebe empfinden würden, ist besonders schmerzhaft im Hinblick darauf, dass die Amme ja gerade ihr eigenes, bis dahin gestilltes Kind zu anderen in Pflege geben musste. Die Amme wird gar nicht als liebende Mutter wahrgenommen, sondern nur als Angestellte.

Andere Personen als Mutter und Amme betrachtet Lauda nicht für das Bedsharing. Als nächstes widmet er sich den Risikofaktoren.

"Geistige Getränke im Uibermaße genossen, erzeugen unnatürlichen, tiefen Schlaf. Hierher gehören besonders Bier, Punsch und Branntwein. Ich erlebte den Fall, daß eine arme Taglöhnerin im Schlafe ihr Kind erdrückte, weil sie nach einer schweren Handarbeit vor dem Schlafengehen, um sich zu stärken, ein halbes Seidel Branntwein getrunken hatte.

Es gibt sehr leichtsinnige Mütter, welche aus dem Grunde das Säugungsgeschäft nicht ordentlich betreiben, damit sie sich den Unterhaltungen ungestört überlassen können. Ein Ball ist solchen Frauen weit lieber, als ihr Kind. Manche können sich nicht enthalten, in den ersten sechs Wochen nach der Entbindung derlei Unterhaltungen beizuwohnen. Abgesehen davon, daß sich diese Frauen durch eine solche Handlung in den Augen jeder treuliebenden Mutter sehr verächtlich machen: so setzen sie sich auch der Gefahr aus, ihr Kind, wenn sie dasselbe nach einer solchen schlafraubenden Unterhaltung in ihr Bett nehmen, zu erdrücken, weil sie leicht in zu tiefen Schlaf verfallen können."

Lauda erkennt ganz richtig, dass der zu tiefe Schlaf Ursache des Erdrückens ist. Im Tiefschlaf sind Menschen weniger responsiv, was sich ja auch in den aktuellen Empfehlungen zum Co-Sleeping widerspiegelt.

Natürlich ist auch wieder eine gehörige Portion Mum-Shaming in dem Text, aber immerhin verlangt Lauda einen Verzicht auf Vergnügen nur in den ersten sechs Wochen, also im Wochenbett.

"Nebst dem oben angegebenen Falle mit der Taglöhnerin beobachtete ich noch zwei Frauen, die das Unglück hatten, ihre Kinder im Schlafe zu erdrücken. Die Eine von ihnen litt an Schwerhörigkeit, und die Andere war gänzlich taub. Personen, welche mit solchen Krankheiten behaftet sind, pflegen, wie es die Erfahrung lehrt, außerordentlich tief zu schlafen. Sie sind äußerst schwer zu erwecken, und man muß an ihnen bedeutend rütteln , um sie aus dem Schlafe zum vollen Bewußtsein zu bringen. Ich rathe den schwerhörigen und gänzlich tauben Müttern, mit ihren Kindern niemals, wenigstens nicht ohne eine Vorrichtung, die sie vor dem Erdrücken schützt, in einem Bette zu schlafen. Eine solche Vorrichtung findet man in der diesem Unterrichte beigeschlossenen Abbildungen Fig. 4 . Sie besteht aus einem hinreichend großen, länglich viereckigen Rahmen von Holz a a a a. Die gut abgehobelten Bretter, aus welchen dieser Rahmen verfertiget wird, müssen einen halben Zoll dick sein, und die Höhe von wenigstens sieben Zoll haben. Das äußere Brett b hat jedoch die Höhe von zwanzig Zoll. Der untere Theil dieses Brettes c dient dazu, um mit demselben den Rahmen zwischen dem Strohsack und dem rechten oder linken Seitentheile des mütterlichen Bettgestelles zu befestigen. Am Grunde des Rahmen d sind in die Quere hinlänglich breite Gurten befestiget, auf welche der Säugling, gehörig bekleidet, zum Schlafen gelegt wird. Dieser Rahmen gewährt den Vortheil , daß das Kind mit seiner Mutter ohne Gefahr unter einer und eben derselben Decke schlafen kann. ( Siehe Fig 5.)

Bei gesunden Frauen ist jedoch diese Vorrichtung nicht nothwendig, da der Säugling nur dann am besten erwärmt wird, wenn er sich im Schlafe an den Leib seiner Mutter unmittelbar anschmiegen kann, was bei dem Gebrauche des Rahmen nicht möglich ist."

Tja, der Babybalkon ist halt auch keine neue Erfindung.

Das Bed-Sharing war für Lauda so wichtig, dass er eine Kampagne zu dessen Förderung startete, was er in einer Fußnote zusammen mit Berichten aus anderen Ländern erwähnt:

"In Nils Rosen von Rosenstein's Anweisung zur Kenntniß und Kur der Kinderkrankheiten - Göttingen 1798 – findet man von dem Uibersetzer dieses Buches Joh. Andreas Murray S . 25 die Anmerkung, daß die Zahl der in Schweden durch schlafsüchtige Ammen im Bette erdrückten Kinder jährlich ungefähr auf 650 sage: Sechs hundert fünfzig sich belaufen habe. Auch in Italien und namentlich in Florenz kam im vorigen Jahrhunderte das Erdrücken der Kinder so häufig vor, daß zu Folge eines öffentlichen Gesetzes jeder Mutter und Amme ohne eine bestimmmte Maschine, die man Arcuccio nannte, die Kleinen bei Nacht in's Bett zu nehmen streng verboten worden war. Mehrere Aerzte damaliger Zeit fanden den Grund dieses so häufig erschienenen Unglücks in einer schauderhaften Sittenverderbniß der Weiber. Dieß läßt sich wohl auch nicht bezweifeln, und wird leider um so glaubwürdiger, wenn man berücksichtiget, wie außerordentlich selten das Erdrücken der Kleinen in unserer Zeit vorzukommen pflegt. Es sind ungefähr zehn Jahre, als ich in einer Anzahl von 60.000 Kalendern die Frauen in Böhmen auf die Vortheile der mütterlichen Bettwärme für kleine Kinder auf merksam machte. Viele Frauen und Landweiber nahmen ihre Kleinen zu sich in's Bett. Mir ist weder aus meiner Umgebung, noch aus der Ferne seit diesen zehn Jahren ein einziger Fall vom Erdrücken eines Kindes zu Ohren gekommen."

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