So manches Ammenmärchen hält sich ja bis heute und viele davon erscheinen auf den ersten Blick sogar logisch. Doch die folgenden glorreichen Stilltipps habt Ihr bestimmt noch nicht gehört.

Fangen wir von vorne an, mit der Grundausstattung, die man fürs Stillen braucht: den Brüsten. Manche Männer sind so besessen von ihnen, dass sie sie in Kategorien einteilen müssen.

Wir unterscheiden zwei Formen von Brüsten:
1. die halbkugelige Brust,
2. die kegelförmige oder spitz zugehende Brust.

- Dr. Otto Köhler, 1921

Man fragt sich wirklich, wofür diese Unterscheidung gut sein soll, insbesondere da Köhler diese Kategorien quasi sofort wieder aufhebt.

Beide Formen, besonders die kegelförmigen, nehmen während und besonders nach Beendigung des Stillgeschäftes die Form von Hängebrüsten an.

- Dr. Otto Köhler, 1921

Dabei ist das Stillen nicht mal Schuld an den Hängebrüsten. Alter, Schwangerschaften, Beschaffenheit des Bindegewebes und die Schwerkraft sind daran Schuld.

Manche Leute glauben ja noch heute, man müsse die Brüste auf das Stillen vorbereiten. Ich hoffe jedoch, dass euch nie jemand zu folgenden Maßnahmen geraten hat. Sie stammen aus einem Hebammenlehrbuch von 1864.

Namentlich bei Erstgeschwängerten sind die Brustwarzen oft zum Säugegeschäft wenig tauglich und bedürfen einer Vorbereitung. Falls dieselben noch in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft klein und unterentwickelt sind, müssen sie täglich schonend mit zwei Fingern hervorgezogen werden. Oder man nimmt eine Flasche oder einen Krug, dessen Hals die Weite der Brustwarze hat, füllt dieselbe schnell mit heißem Wasser bis an den Hals, gießt dasselbe schnell wieder aus und setzt nun das Mundstück der Flasche über die Warze. Auf solche Weise wird dieselbe hervorgezogen. Dies Verfahren darf aber nie bis zum Schmerz fortgesetzt werden. Sind die Brustwarzen sehr empfindlich und werden selbst öfters wund, so ist das Waschen derselben mit verdünntem Rum oder Rothwein, mit Abkochung von Galläpfeln, von Eichen oder Weidenrinde nützlich. Ist die Haut über denselben im Gegentheil hart und dick, so müssen sie mit feinem Oel öfters bestrichen und darauf mit feiner Seife sorgfältig abgewaschen werden.

- Dr. Bernhard Sigmund Schultze, 1864

Es war ein weit verbreiteter Aberglaube, dass die Charaktereigenschaften von Mutter bzw. Amme durch die Milch auf das Kind über gehen würden. Doch nicht nur das! Falsches Essen oder Wut konnten die Milch schlecht werden lassen.

(...) und hat einmal ein Diätfehler stattgefunden, oder hat die Frau einen heftigen Aerger oder Schreck gehabt, so muß die Milch auf die später zu beschreibende Weise abgesogen werden, weil sie dem Kinde schädlich sein würde.

- Dr. Bernhard Sigmund Schultze, 1864

Dank dieser Super-Power der Milch konnte die wütende Amme auf Rachefeldzug gehen.

Es ist mir aber selbst auch ein Fall vorgekommen, wo eine Amme, die wegen ihrer schlechten Aufführung plötzlich aus dem Dienst entlassen werden sollte, in dem heftigsten Zorn, um sich an ihrer Herrschaft zu rächen, dem Kinde die Brust gab. Das zuvor völlig gesunde Kind wurde von den heftigsten Zuckungen (Gefraisch, Fraisen, in Niedersachsen Scheuerchen) befallen, und konnte nur mit Mühe gerettet werden.

- Adolph Henke, 1832

Über die Stillfähigkeit von Müttern weiß Catel zu berichten. Leider habe ich noch nicht genug Kinder und auch zu spät mit dem Kinderkriegen angefangen, um das überprüfen zu können. Oh, und Akademikerin bin ich auch noch! Na, so ein Mist! Gestillt hab ich trotzdem.

Am besten stillen die Landfrauen und Frauen von Arbeitern, am schlechtesten Frauen, deren Ehemänner einen akademischen Beruf ausüben. (...) Die Stilleistung ist ferner bei Frauen bis zum 25. Lebensjahrs besser als bei älteren, außerdem läßt sie Beziehungen zur Geburtenhäufigkeit erkennen: bis zum 4. Kinde ist sie in steigendem Maße gut, um vom 5. Kinde an abzusinken.

- Prof. Dr. med. Werner Catel, 1964

Frau Kübler hat dem noch etwas wichtiges hinzuzufügen.

Oft können auch Frauen, die erst zwischen 36 bis 45 Jahren Mutter werden, nicht stillen, da viele Kinder die Brust einer älteren Frau nicht nehmen.

- Marie Susanne Kübler, 1891

Okay, okay, also bekommen wir Frauen unser erstes Kind am besten vor 25 und insgesamt nicht mehr als vier. Zur Sicherheit bekommen wir nach 36 gar keine Kinder mehr. Dann wird das Stillen schon klappen! So! Stellt sich die Frage, wie lange frau eigentlich stillen kann und soll.

Was nun das Entwöhnen im Allgemeinen betrifft, so gilt es als alte Regel, daß keine Frau länger als 9 Monate stillen soll. Meist verbietet sich dies, wenigstens in den Städten, von selbst, da die wenigsten unserer Frauen für so lange Zeit ausreichenden Milchvorrath haben."

- Dr. med. Ernst Kormann, 1883

Du meine Güte! Ein 9-Monatsvorrat in den Brüsten? Wie das wohl aussähe? Zum Glück wird die Milch in Wirklichkeit während des Stillens gebildet.

Na, aber wenn die Milch dann "aufgebraucht" ist, klappt bestimmt wenigstens das Abstillenreibungslos. Was sagt denn unser Hebammenlehrbuch dazu?

Das Entwöhnen des Kindes geschieht am passendsten zu der Zeit, nachdem die Schneidezähne alle durchgebrochen sind, also im zehnten Lebensmonat des Kindes in der Regel. Das Kind wird einige Tage hindurch immer seltener und dann gar nicht mehr angelegt. Das Entwöhnen auf mehrere Wochen oder selbst Monate auszudehnen ist nicht gut. Denn wenn die Milch in den Brüsten nun anfängt zu versiegen, so wird sie schlechter und bekommt dem Kinde nicht. Schwellen der Mutter beim Entwöhnen die Brüste stark an, so müssen sie, wie früher gelehrt, mit Oel und Watte bedeckt und namentlich gut unterstützt werden, die Frau muß dabei eine knappe Kost beobachten, und für täglichen reichlichen Stuhlgang sorgen.

- Dr. Bernhard Sigmund Schultze, 1864

Klar! Das Stillen mit einem schönen Milchstau beenden. Das ist ja mal ein Plan!

Ohne mich.

Welche kuriosen Ansichten rund ums Stillen habt Ihr schon gehört?