Den folgenden Abschnitt finde ich einerseits sehr einfühlsam geschrieben, andererseits wirft er viele Fragen auf.

"Die gewaltigen Umwälzungen, die die ersten Wochen der Ehe bei der jungen Frau in körperlicher und geistiger Beziehung hervorbringen, zwingen zu einer neuen Form der Lebensführung. Neue Gefühle, neue Interessen sind erwacht; die Aufgabe einen Haushalt zu leiten, das Leben des Mannes bequem zu gestalten, nimmt ihre Kraft mehr in Anspruch als sie vielleicht vorher vermutete. Die Wirkungen dieser neuen Lebensart zeigen sich deutlich in der ganzen Erscheinung, und es ist merkwürdig, welche Veränderungen in gutem wie in schlechtem Sinne oft nach kurzer Ehe das Gesicht einer Frau dem Beschauer bietet.

Es ist üblich, die sogenannten Flitterwochen fern von der Heimat zu genießen, aus der richtigen Erkenntnis heraus, daß nicht nur die beiden Ehegatten sich so am besten aufeinander einleben, sondern daß auf diese Weise für die junge Frau auch eine gewisse Ruhe gewährleistet wird. Leider wird dieser letzten Forderung nicht immer genügend Rechnung getragen, und das junge Paar benutzt die Zeit der Ferien, die vielleicht für den Mann einen ihm nur selten gewährten oder nur seltenmöglichen Urlaub bedeuten, dazu, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu sehen. Der Mann bedenke doch aber, was er der Frau da zumutet! Durch die neuen in ihr erwachenden, mit dem instinktiven Willen zur Keuschheit kämpfenden Gefühle, die plötzlich einsetzende sexuelle Empfindsamkeit, wird ihr Nervensystem in Aufruhr gebracht, der rein körperliche Schmerz der ersten Beischlafversuche und seine sonstigen Begleiter, wie verminderter Schlaf, Unbehagen beim Gehen, nehmen die körperlichen Kräfte in Anspruch. Wenn da nun noch ein ewiger Wechsel des Aufenthaltes mit seinem Ein- und Auspacken, die Ermüdung langer Bahnfahrten und vieler Besichtigungen hinzukommen, dann ist es kein Wunder, daß die junge Frau nicht gekräftigt, sondern unmutig und nervös von der Hochzeitsreise zurückkommt, blaß aussieht und nicht gerade sehr erbaut ist, nun auch gleich noch den neuen Hausstand einrichten zu müssen. Die Hochzeitsreise soll eine Zeit des Ausruhens, nicht der Anstrengung sein!"

"Ich und mein Mütterlein", Dr. med. Paul Croner, 1915

Es ist ja lieb, dass Paul Croner sich Gedanken macht, was in einer frisch entjungferten Frau vor geht, und ich finde, er trifft ein paar Punkte. Aber der "Wille zur Keuschheit" ist wohl kaum instinktiv, sondern anerzogen. Auch setzt die "sexuelle Empfindsamkeit" nicht plötzlich mit der Hochzeitsnacht ein.

Mir kommen jedoch noch ganz andere Fragen.

Seit wann ist es eigentlich üblich, dass Frischvermählte auf Hochzeitsreise fahren? Sicher war das 1915 beim Erscheinen dieses Buches noch den wohlhabenden Ständen vorbehalten. In der Buchbeschreibung steht jedoch "Führer für jede Mutter".

Was steckt wirklich hinter den Änderungen in der Erscheinung, die Croner bei Ehefrauen beobachtet?

Welche Vorstellungen hatte die Verlobte von der Ehe? Und von Sex? Wie weit wurde sie aufgeklärt? 

Lass mich in den Kommentaren wissen, was Du denkst und was Du Dich fragst.