Familienleben einst & heute

"Wohlmeynender Rath für Aeltern" aus 300 Jahren Erziehungsratgebern und wie dieser sich bis heute auswirkt.

Bis zur Einführung des Reichsgesetzes vom 6. Febr. 1875 gab es in Preußen neben der gewöhnlichen Ehe oder "Ehe zur rechten Hand" auch die "Ehe zur linken Hand". Diese erlaubte Männern, eine Frau von niedrigerem Stand zu heiraten. Seit 1791 galt dieses Recht nur noch für Adlige und hohe Beamte. Es musste vom Landesherrn eine Erlaubnis zu dieser Eheschließung erteilt werden.

Das Patriarchat macht die Mutter zum Idol, um der Frau klare Grenzen zu setzen, außerhalb derer sie sich nicht bewegen darf. In der Idealvorstellung geht die Frau ganz in der Mutterrolle auf. Wer sich dieser Rolle nicht hingeben will, ist zu verachten. 

"Es gibt nur einen weiblichen Beruf - den Veruf der Gattin, Mutter und Hausfrau; nur eine Vorbereitung für denselben - die Familie; nur eine weibliche Tugend - die selbstlose und selbstverleugnende Hingebung; nur einen weiblichen Fehler - die Selbstsucht."
Die häusliche Erziehung, Sigismund Stern, 1867

Aber auch moderne Erziehung schützt nicht vor dem Gefühl, sich aufopfern zu müssen, um eine gute Mutter zu sein. Besonders der Anspruch, ein Kind bindungsorientiert zu erziehen, kann dazu führen, dass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse bis zur Erschöpfung den (vermeintlichen) Bedürfnissen des Kindes unterordnen. 

Die Frage nach dem Beginn des Lebens ist im Christentum bei zwei Ereignissen besonders relevant: bei der Nottaufe und bei der Abtreibung.

Mit viel Empörung wird in den Social Media gerne behauptet, Johanna Haarers Buch "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" sei nach 1945 nur von der Nazi-Propaganda bereinigt und ansonsten mit denselben Erziehungsinhalten weiter vertrieben worden.  Diverse Artikel in der Presse stützen diese Behauptung. In diesem Artikel beschäftige ich mich mit der Frage, ob diese Empörung berechtigt ist.

1865 erfand Justus von Liebig die erste Pulvermilch. Sie war als Nahrungsergänzung für Säuglinge und Kleinkinder konzipiert. Bereits 1868 brachte Henri Nestlé seine eigene Variante dieses Milchpulvers hervor und vermarktete sie als Muttermilchersatz. 1872 stieg Nestlé in den Weltmarkt ein und setzte sich 1875 als reicher Mann zur Ruhe. 

"Beim Befehlen ist die allergößte Vorsicht geboten. Oft ist es besser, dem Kinde die Wahl zwischen zwei Dingen zu lassen, als eines direct zu befehlen. Weint und schreit das Kind, weil ihm Etwas nicht nach seinem Köpfchen geht, - es ist gewagt, ihm Schweigen zu gebieten, wenn man sich nicht vorher klar darüber ist, wie man dieses erzwingen kann. In einem solchen Falle ist es besser, zu sagen: „Höre, das Weinen kann ich hier nicht brauchen; entweder mußt du damit aufhören, oder hinüber in’s Kinderzimmer gehen; da kannst du weinen, so lange du willst.“"

Das Buch der Eltern, Dr Karl Oppel, 1877

"Dabei halte immer im Auge, daß der Ungehorsam deines Kindes nichts Schlechtes ist; im Gegentheil, er ist ein Zeichen von Kraft und Selbstständigkeit, und du willst es ja auch nur soweit zum Gehorsam bringen, als dir dieser zu des Kindes Erziehung nöthig ist, und weil auch der Erwachsene gehorchen können muß."

Das Buch der Eltern, Dr Karl Oppel, 1877

"Ich glaube, es ist recht gut, sich in den Gedanken hineinzuleben, daß man nicht mit dem Kinde machen kann, was man will; daß das Kind auch berechtigt ist und eine Menschenwürde besitzt, die nicht angetastet werden darf."

Das Buch der Eltern, Dr Karl Oppel, 1877

"Erziehen ist nicht leicht, strengt an, reibt auf, darum muß die Mutter auch ihre Stunden der Ruhe und Auspannung haben; sie darf ihre Kräfte nicht zu schnell verbrauchen, sondern muß sie zu Rathe halten für kommende Zeiten und für die Tage und Nächte, da sie nöthiger und unentbehrlicher ist, als im Alltagsleben. Hat sie ihre Kraft verbraucht, so lange die Kinder gesund waren, was will sie thun, wenn diese krank werden? Wenn sie nachts an ihrem Bette wachen soll? Hat sie ihre Nerven so empfindlich gemacht, daß sie durch Alles gereizt, geängstigt, aufgeregt wird, - was haben die Kinder davon? Wer nimmt sich ihrer jetzt an, wenn die Mutter gar nicht mehr um ihre Lieben sein kann?"

Das Buch der Eltern, Dr Karl Oppel, 1877

"Man soll niemals bestimmen, daß ein gewisses Spielzeug nur für Knaben und ein anderes nur für Mädchen passe. Damit trennt man schon in der Kinderstube die gemeinsamen Interessen und stört das gemeinsame Spiel."

Die Kinderpflegerin, Hedwig Reich, 1913