Familienleben einst & heute

"Wohlmeynender Rath für Aeltern" aus 300 Jahren Erziehungsratgebern und wie dieser sich bis heute auswirkt.

Für die Selbstarbeit.

1. Bau einer Kochkiste.
2. Einrichtung einer Puppenküche.
3. Zeichnen: Magen des Kindes, Säuglingsuhr, Flasche mit Grammeinteilung.
4. Eure Lehrerin nimmt vielleicht einmal, wenn ihr sie darum bittet, eure Gesundheitsscheine aus dem Spind: Wer war Brust-, wer Flaschenkind? Vergleichen.

In der 9. Auflage der Säuglingspflegefibel sind Aufgaben für die Schülerinnen gelistet. Einige der Aufgaben sind handwerklicher Natur, andere sind klar auf das spätere Hausfrauendasein ausgelegt; Buchführung und Kochen fallen darunter. Hier ein paar Beispiele.

Zwischen der dritten und der neunten Auflage der Säuglingspflegefibel aus den Jahren 1914 und 1933 gibt es nur wenige Unterschiede. In beiden Werken werden gleichermaßen Reinlichkeit, Regelmäßigkeit und Emotionslosigkeit gelehrt. Das Weltbild ist weitgehend dasselbe, bis auf diesen deutlichen Unterschied hier.

Strampelfreiheit.

Habt ihr schon mal gesehen, wieviel Säuglinge zwar glatt und schön in ihren Bettchen liegen, aber meist verdrießlich sind, und wenn man mit ihnen spricht, gleich weinen?

Ein Beispiel für die Lehrgeschichten aus der Säuglingspflegefibel von Schwester Antonie Zerwer.

Strampelfreiheit.

Habt ihr schon mal gesehen, wieviel Säuglinge zwar glatt und schön in ihren Bettchen liegen, aber meist verdrießlich sind, und wenn man mit ihnen spricht, gleich weinen? Seht sie euch mal unter der Decke an! Sie sind eingewickelt; müssen still liegen, wie in einem Schraubstock, weil die Mutter denkt, sie könnten sich erkälten oder die schöne Decke schmutzig machen.

Nach Entdeckung der Bakterien wurde Reinlichkeit geradezu zu einer zwanghaften Besessenheit in sämtlichen Bereichen des Lebens. Die Angst vor Ansteckung war allgegenwärtig.

Das hatte einige unschöne Folgen. Nicht nur, dass wir heute wissen, dass die Auseinandersetzung des Immunsystems mit diversen Keimen notwendig ist, um beispielsweise Allergien vorzubeugen (Stichwort: Generation Sagrotan). Nein, auch zwischenmenschlich bleibt einiges auf der Strecke, wenn man sich zuerst aufs gründlichste waschen muss, bevor man das weinende Baby hoch nimmt.

"Dürfen wir ein Kind küssen?
Nein, das ist eine große Sünde in der Säuglingspflege."

Säuglingspflegefibel, Schwester Antonie Zerwer, 3. Auflage, 1914

Die Säuglingspflegefibel von Ordens- und Krankenschwester Antonie Zerwer (1873-1956) ist ein Lehrbuch für die oberen Klassen der Volks- und höheren Mädchenschulen, also für Mädchen im Alter von ca. 10 bis 16 Jahren. Die erste Auflage erschien 1912 während die Autorin im berühmten Kaiserin-Auguste-Viktoria-Säuglingsheim in Berlin arbeitete, dessen Leitung sie 1924 übernahm. Sie war auf Wunsch des Arztes Arthur Keller 1908 von Magdeburg nach Berlin gekommen.

Dr. Heinrich Keller prangert unsinnige Essensregeln für stillende Frauen an. Es stimmt, dass Stillende essen können, was sie wollen. Nur selten reagieren Babys auf Stoffe aus dem Essen der Mutter. Selten genug, dass es unsinnig ist, von vornherein bestimmte Lebensmittel zu meiden oder zu bevorzugen.

Die Überheblichkeit der Ärzte gegenüber Müttern, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte, wird in diesem Zitat deutlich.

"Die ersten Menschenmütter in ihren Felsen und Wäldern sorgten wohl wie die Tiere nur nach ihrem angeborenen Instinkt für ihre Jungen, lehrten sie wie die Tiere den schweren Kampf ums Dasein führen und - säugten sie wie die Tiere, aber je höher das Menschengeschlecht sich entwickelte, desto höher stieg auch die Zahl der Gefahren sowie auch ihre Größe und Fruchtbarkeit.