In einer Reihe, die "Beikostempfehlungen durch die Zeit" heißt, darf natürlich auch der Blick auf aktuelle Empfehlungen nicht fehlen. Als Gastautorin schreibt heute Tatje Bartig-Prang.

Muttermilch ist immer gut. Sie ist beim Stillen nach Bedarf immer genau auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt. Einzig bei extrem mangelernährten Müttern ist die Qualität der Muttermilch nicht gewährleistet. In Zeiten vor modernen Laboruntersuchungen als man noch nicht mal anseitsweise wusste, was in Muttermilch alles drin ist, oder wie überhaupt Verdauung wirklich funktioniert, hatten die Mediziner ihre eigenen Ideen, woran sie die Qualität von Muttermilch beurteilen könnten.

"Beinahe alle Mütter und alle Wärterinnen, mit wenigen Ausnahmen, begehen den sehr großen bereits oben gerügten Fehler, daß sie das Kind gleich von den ersten Tagen seines Lebens an bei dem geringsten Laut, den es ausstößt, oder bei der geringsten Unruhe, welche es zeigt, von seinem Lager aufheben, und durch Schaukeln und Umhertragen auf den Armen beruhigen zu müssen glauben."

Die ersten Mutterpflichten und die erste Kinderpflege, Friedrich August von Ammon, 1854

"Früher waren Geburten aus Beckenendlage normal. Da wurde kein Bohei drum gemacht wie heute." Sätze wie diesen habe ich schon häufiger gelesen. Das ist zum Teil richtig, zum Teil auch nicht. Zum einen gibt es verschiedene Varianten des Beckenendlage, zum anderen wurde früher auch um den Tod von Mutter oder Kind "kein Bohei" gemacht. Alles rund um die Geburt war halt gottgewolltes Schicksal.

Künstliche Nahrung für nicht gestillte Säuglinge zuzubereiten, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur richtige Arbeit, sondern es war auch schwierig, die notwendige Hygiene einzuhalten. Ein weit verbreitetes und in fast jedem Buch empfohlenes Gerät war der Soxhlet-Apparat, benannt nach seinem Erfinder Franz von Soxhlet (1848-1926).

Nichts unterlag in der Geschichte der Säuglingspflege so vielen Veränderungen wie die Beikostempfehlungen. Derzeit geistert eine Warnung vor dem ach-so-modernen Baby Led Weaning (BLW, babygeleitetes Abstillen) durch die Medien. Nicht nur gibt es BLW in seiner modernen Form schon seit ca 2002, sondern ist vielmehr die reine Brei-Beikost nur eine Mode-Erscheinung. Die ersten nationalen Beikostempfehlungen gab es eh erst im 20. Jahrhundert. Davor hat quasi jeder Arzt seine eigenen Empfehlungen ausgesprochen, auf der Basis von persönlicher Anschauung, aktuellem Wissen und regionalen Traditionen.

Ein zu kurzes Zungenbändchen kann große Probleme beim Stillen verursachen. Der Begriff ist jedoch irreführend, besser wäre es, würde man es "einschränkendes Zungenbändchen" nennen. Denn genau darum geht es: die Beweglichkeit der Zunge ist eingeschränkt. Da die Zunge die Hauptarbeit beim Stillen leistet, ist leicht einzusehen, dass ihre Beweglichkeit von großer Wichtigkeit ist. Beschwerden, die ein zu kurzes Zungenbändchen hervorrufen kann, sind unter anderem: wunde Brustwarzen, extrem häufige und lange Mahlzeiten, Abrutschen von der Brust, Milchmangel und nicht zuletzt eine unzureichende Gewichtsentwicklung.

Gründe für das Nichtstillen:

"Einen guten Teil der Schuld trägt endlich noch die gewinnsüchtige Reklame so mancher spekulativer Fabriken, die ihre Nährmittel als vollkommenen Ersatz der Mutterbrust preisen. Und doch hat noch keines dieser vielen Surrogate, deren Zahl Legion ist, vor der objektiven Kritik bestehen und im entferntesten auch nur das halten können, was es versprach."

Der Säugling - seine Ernährung und seine Pflege, Walther Kaupe, 1907