Was für ein Jahr! Vor einem Jahr habe ich beschlossen, mir wieder eine Festanstellung zu suchen, weil die Selbständigkeit mich nicht mehr weiter brachte. Womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte, war das Gefühl des Nach-Hause-Kommens in meinem neu gewählten Beruf. 

Um deutlich zu machen, was für einen Umschwung dieses Jahr für mich bedeutete, muss ich etwas weiter ausholen. Ich bin Diplom-Informatikerin und habe ursprünglich als Software-Entwicklerin gearbeitet. Diese Karriere war allerdings nur von sehr kurzer Dauer, weil mir das Platzen der Dot-Com-Bubble in den frühen 2000ern einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Als Frau im besten gebärfähigen Alter hatte ich keine Chance auf einem Arbeitsmarkt, der von Männern überschwemmt wurde. Ich hab mich auf alles beworben, was auch nur halbwegs passte, und wurde dennoch über ein Jahr lang zu keinem einzigen Bewerbungsgespräch eingeladen. 

So habe ich dann mit meinem Mann tatsächlich erst mal eine Familie gegründet - noch in der Hoffnung, dass sich der Arbeitsmarkt in der Zwischenzeit bessern würde. Die Geburt unseres ersten Kindes hat mich jedoch über den Einstieg in die Stillberatung auf einen ganz anderen Weg geleitet.

Über die Jahre habe ich so viele Dinge getan. Unter anderem war ich 1. Vorsitzende der AFS (Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen e.V.), habe das DAIS (Deutsches Ausbildungsinstitut für Stillbegleitung gUG) mitgegründet, bin zur Expertin der Geschichte der Säuglingspflege und Kindererziehung geworden, habe allerhand Kurse, Vorträge und Workshops gehalten, habe ein Buch geschrieben und zu anderen Büchern beigetragen. Und ich habe jahrelang diesen Blog geführt.

In meiner Selbständigkeit war mein Fokus immer darauf gelegen, mir in Deutschland etwas aufzubauen, um etwas zu haben, wenn wir wieder zurück ziehen. Es war nämlich nie geplant, dass wir so lange bleiben würden. Spätestens seit dem Brexit-Referendum wollte ich dringend wieder zurück. Doch das ist eine Entscheidung, die wir als Familie treffen müssen. Darum sind wir noch immer hier.

Ende letzten Jahres jedoch habe ich beschlossen, mir wieder eine Festanstellung zu suchen. Die Freiberuflichkeit hat sich nicht ausgezahlt und mir fehlte es sehr, mit Kolleg*innen zusammen zu arbeiten. Denn selbst wenn ich seit unserem Umzug nach England vor 13 Jahren mit anderen gearbeitet habe, war das - bis auf die Leitung der örtlichen Stillgruppe - immer in Heimarbeit. Mir fehlte der direkte Austausch und das professionelle Feedback.

In den ersten anderthalb Monaten dieses Jahres habe ich also ausstehende Arbeiten beendet und mich dann auf die Suche nach einer neuen Aufgabe gemacht. Das war gar nicht so einfach, denn ich hatte keine Ahnung, wofür ich überhaupt noch qualifiziert war, oder was ich machen wollte. Ich hätte ja gerne weiterhin etwas mit Geschichte gemacht oder etwas, bei dem ich Familien helfen kann. Mehr oder weniger durch Zufall bin ich dann darauf gekommen, dass Safeguarding Officer in einer Schule das richtige für mich sein könnte. Ich war aber noch sehr unsicher, vor allem, weil ich nicht wusste, ob eine britische Schule eine Arbeitsumgebung sein könnte, wo ich mich wohl fühle.

Um mich langsam heran zu tasten, habe ich erst mal als Klausuraufsicht angefangen. Das gefiel mir ziemlich gut, obwohl ich hoffnungslos überqualifiziert und unterfordert war. Zunächst war die Überlegung, dass ich mich langsam steigere. Ich wollte halbtags als Teaching Assistant anfangen und habe eine Online-Fortbildung dafür angefangen. In dieser Ausbildung habe ich erfahren, dass gewisse Schulformen in England Lehrer*innen auch ohne offizielle Zulassung (QTS - Qualified Teacher Status) einstellen können. Außerdem wusste ich von der Schule, an der ich arbeitete, dass Informatik-Lehrer*innen händeringend gesucht werden. Das öffnete mir ganz neue Möglichkeiten.

Nach einigen Gesprächen mit relevanten Leuten (Netzwerken! So wichtig!) und etwas Recherche entschied ich mich, eine Ausbildung zur Lehrer*in anzufangen, um den QTS zu bekommen. Ich bewarb mich im Juni auf zwei Ausbildungsstellen und bekam zwei Angebote. Ab da ging alles super schnell. Den Sommer verbrachte ich damit, den notwendigen Papierkram zu erledigen und einige Vorprüfungen zu machen. Ab September begann die Ausbildung.

Ich war zunächst skeptisch, ob die Inhalte, die in der Ausbildung vermittelt werden, sich mit meinen Werten decken würden. Immerhin geht es in diesem Blog nicht umsonst um Erziehung. Mir sind einige Dinge im Umgang mit Kindern essentiell wichtig. Umso begeisterter war ich, als in der Ausbildung Bindungstheorie und Erziehung ohne Strafen vorkamen. Überhaupt war die Sicht aufs Kind von Anfang an von sehr viel Respekt geprägt. Wunderbar!

Ich hatte außerdem unfassbares Glück mit der Schule, in der ich den ersten Teil der Ausbildung bis zu den Weihnachtsferien absolvieren durfte. Die Kollegen waren einfach wunderbar. Mit vier Lehrern hat diese Schule eine große Informatik-Abteilung. Jeder der vier ist auf seine Weise ein großartiger Lehrer und auch auf persönlicher Ebene war die Zusammenarbeit eine große Freude. Die Schule selbst war inkludierend und bot eine wunderbare Arbeitsumgebung. Ich habe mich freitags schon auf Montag gefreut.

Ab Januar geht es in die nächste Schule, wo ich dann bis zu den Sommerferien bleiben werde. Die erste Schule hat die Latte sehr hoch gelegt, aber ich bin sicher, mir wird es auch in der zweiten Schule gefallen.

Ich bin mega glücklich mit meinem neuen Beruf. Lehrerin zu werden war eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, fühle ich mich in England wieder zuhause. Ich bin angekommen. Zum ersten Mal habe ich es nicht eilig zurückzukehren.

Das heißt aber auch, dass dieser Blog nun wieder zu einem Hobby wird. Für mich ist das eine Erleichterung. Der Druck, Inhalte produzieren zu müssen, hatte mir die Freude am Schreiben genommen. Es wird hier also nun wesentlich weniger Beiträge geben, aber dafür wird in diesen dann wieder mein ganzes Herzblut stecken.

Ich danke Euch allen von Herzen für Eure teils langjährige Unterstützung!

Liebe Grüße
Eure Karin