Vor ein paar Wochen habe ich versucht, die Identität von J. von Wedell aufzudecken. Dabei bin ich auf Buch gestoßen, das ich unbedingt haben musste. Es handelt sich um ein Buch, das von Eltern für ihr Kind ausgefüllt werden kann. Es trägt den Titel "Des Kindes Chronik" und ist weit mehr als nur ein Babytagebuch. Es hat Platz für Einträge bis zum Erwachsenenalter.

Das zum Verkauf stehende Exemplar war in Teilen ausgefüllt und enthielt einige Beilagen. Es gab also nicht nur ein Buch, sondern ein Leben zu entdecken. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Als das Buch endlich ankam, war ich schon sehr aufgeregt, was mich erwarten würde. Hier könnt Ihr mir beim Auspacken zusachauen. Es stellte sich heraus, dass das Baby, für das diese Buch begonnen wurde, in Seifehnnersdorf in der Oberlausitz geboren wurde und den Namen Brigitta Müller erhielt. Das allein hat mir schon das Herz erwärmt. 

Das Buch kommt in einem Schuber und ist in einem sehr guten Zustand. Es sind nur wenige Seiten ausgefüllt, aber es enthält Fotos und Haarlocken.

Natürlich wollte ich auch gerne wissen, was aus der kleinen Brigitta geworden ist. Bei einem solchen "Allerweltsnamen" habe ich mir jedoch kaum Hoffnung gemacht, irgendetwas herauszufinden. Umso größer war meine Freude, sie zu finden.

Brigitte Müller wurde am 28. Juni 1904 als Tochter des Lehrers Richard Müller und seiner Frau Frida geb. Schütze in Seifhennersheim geboren. Sie war Schülerin der Musik- und Tanzschule Hellerau-Laxenburg. Ab 1932 unterrichtete sie dort Rhythmik. Von 1941-1970 unterrichtete Brigitte Müller Rhythmik, Gehörbildung und Klavierimprovisation an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. An beiden Schulen arbeitete sie eng mit Rosalia Chladek zusammen. 1993 starb Brigitte Müller in Wien.

Buch und Schuber. Der Schuber trägt den Hinweis "Ohne dieses Futteral wird kein Exemplar zurückgenommen"

Für den Tag der Taufe wurde ein Kalenderblatt und ein Zeitungsausschnitt aufbewahrt.

Die Reste eines vierblättrigen Kleeblatts. Der Eintrag lautet "Dies Kleeblättchen fand deine Mutter am 20.Sept. 1905 als sie mit dir spazieren fuhr."

Drei Haarlocken und ein Bändchen.

Dem Buch liegen Fotos und ein Zeugnisheft der Mutter bei.

Brigitte Müller mit ihrer Mutter Frida Müller geb. Schütze.

Weitere Quellen:

Memories of Mimi Scheiblauer and the development of Dalcroze Eurhythmics as a therapeutic practice: An interview with Eleonore Witoszynskyj

Kurzbio auf der Webseite des Projektes spiel|mach|t|raum der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien

Auf dem Weg zum Studium der Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik an der Akademie, späteren Hochschule und gegenwärtigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Eleonore Witoszynskyj (pdf)

Weibliche Lehrkräfte und Schülerinnen der Reichshochschule für Musik in Wien 1938-1945Studien - Berufsentwicklung - Emigration, Barbara Preis, Dissertation, Wien, 2009

Ein Foto von Brigitte Müller findet sich auf S. 65 von Le Rythme 2015 (pdf)