Die Angst, sich einen kleinen Tyrannen heran zu ziehen, wurde spätestens ab der Jahrhundertwende geschürt. Das Kind hat still zu sein, insbesondere nachts nicht zu stören und Mütter sind einfach viel zu weich.

Die schrecklichen Konsequenzen der falschen Erziehung werden der Mutter gleich drastisch geschildert. Hier wird Erziehung als feste Formel verkauft. Wenn ich x mit dem Kind mache, wird es y werden. Welche Eigenschaften das Kind mitbringt, scheint ebenso egal zu sein, wie die äußeren Umstände. Verhält sich das Kind nicht innerhalb eines eng vorgegebenen Rahmens, ist das die Schuld der Mutter.

"Das Schlimmste aber ist, daß so ein Kind, das bloß ein Geschrei zu erheben braucht, um alles zu haben, was es nur will, sich nie an Ordnung und Unterordnung gewöhnt, während man durch zielbewußte, unerbittliche Strenge den Säugling sehr bald dazu bringen kann, sich und der Mutter sogar die ganze Nacht die nötige Ruhe zu gönnen. Die Mutter, die es nicht glauben will, daß der erste und wichtigste Erzieher des Kindes der Arzt ist, bekommt es bald gar schmerzlich zu fühlen; der störrige Schreihals, der bei der geringsten Äußerung seiner Unzufriedenheit von der besorgten Mutter sofort aus dem Bettchen genommen wurde, hat sich allmählich daran gewöhnt, in ihr die gefügige Sklavin seiner Launen zu erblicken, und wird immer maßloser in seinen Ansprüchen. Und später entwickelt sich der verzogene Säugling zu einem unaustehlichen Kinde, zu einem Hausschreck, aus dem dann nach und nach einer jener allzuhäufigen Zeitgenossen wird, bei denen Wollen und Haben eines ist."

Vernünftige und unvernünftige Mütter, Dr. Heinrich Keller, 1917

»Bei meinem Kind mache ich das anders«

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