Folgende Zitate stammen aus: Die wissenschaftliche Emancipation der Frau, Hedwig Dohm, 1874

S. 9:

"Vielseitige Erfahrungen haben mir die Ueberzeugung aufgedrängt, daß die Gesundheit der Frau und somit des Menschengeschlechtes wesentlich von der Einführung der Frau in die ärztliche Praxis abhängt."

S. 10f:

Wer nennt mir eine einzige Hantieren (die an den Körper gebundenen Funktionen selbstverständlich ausgenommen), eine einzige Form der Arbeit, die sich auf Frauen beschränkt, und an denen zu participiren den Männern durch Sitte oder Gesetz verboten wäre?

Es giebt keine!

Männer nähen, kochen, waschen, bügeln, führen Wirthschaften u. s. w. In den vornehmen Häusern findet man anstatt Köchin und Wirthschafterin Köche und Wirthschafter. Das sind unbestreitbare Tathsachen, die wegzuleugnen unmöglich ist. Es muß also heißen: Nur den Frauen sind bestimmte Beschäftigungen zugewiesen; die Männer aber leisten Alles, was Menschen überhaupt zu leisten im Stande sind und wozu sie Lust und Neigung haben.

S. 24f:

Ich verstehe von Staatswesen und Politik nicht allzuviel, das aber weiß ich: jegliche Gesetzgebung muß, oder müßte, auf einer sittlichen Basis ruhen, auf der Basis der Gerechtigkeit und Menschenliebe.

Versagt Sitte und Gesetz den Frauen diejenige Arbeit, die sie in den Stand setzt, sich und ihre Kinder zu ernähren, so muß der Staat und die Gesellschaft nach den einfachsten Begriffen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit vermögenslose Wittwen und Unverheirathete standesgemäß erhalten. Erkennt er aber eine solche Verpflichtung nicht an und beschränkt er dennoch die Frauen auf ein kleines gebiet unzureichender Arbeit, so zeigt eine solche Gesetzgebung Spuren von Barbarei, sie vergewaltigt die Frau und privilegirt die eine Hälfte der menschlichen Gesellschaft auf Kosten der andern.

S. 25:

Uebrigens könnte man ebenso gut behaupten, daß die Ehe eine Versorgungsanstalt für Männer sei; denn was für einen anderen Sinn hat dieses Wettrennen nach der Hand von Erbinnen, von dem wir täglich Zeige sind?

S. 27f:

Wie sonderbar diese Concurrenzfurcht ist! Sind die Männer wirklich das höhere Geschlecht, das heißt, mit höheren Kräften für alle die Fächer begabt, von denen sie die Frauen ausschließen, so brauchen sie doch die Concurrenz nicht zu fürchten, um Gegenteil, die Frauen werden ihnen zur Folie dienen; sind ihre Kräfte aber nicht höher, so setzen sie sich dem Verdacht aus, daß sie die Frauen einsperren, damit dieselben ihnen die Preise nicht verderben, und ihr Verhalten wird zur Gewalthat, zur widerrechtlichen Aneignung eines Monopols.

S. 28:

Der maßgebliche Gesichtspunkt bei der Frauenarbeitsfrage ist nicht das Recht der Frauen, sondern der Vortheil der Männer. Man zwingt die Frauen zu Arbeiten, für die sie nicht geeignet sind und versagt ihnen diejenigen, für die sie sich ungleich besser qualificirten. Man raubt ihnen ein menschliches Anrecht, das Recht der Existenz.

S. 29:

Kommen wird der Tag, wo sie in die Tempel der Männer dringen, ihre Kanzeln besteigen und ein neues Evangelium predigen wird, die Frohe Botschaft von der Menschwerdung des Weibes. Doch nicht braucht ihr zu erschrecken, ihr ehrsamen Familienhäupter und Männer, bis dahin ist’s noch lange Zeit. So lange ihr lebt und eure Söhne und eures Sohnes Söhne, wird das Weib fortfahren zu säumen und zu kochen und zu backen und zu vegetiren und sich auszulöschen als Individualität. Sie wird fortfahren Euch zu beglücken und sich zu degradiren durch ihre Magdseligkeit.

S. 53f:

Seite 41 hat zwar Herr v. Bischof seinen Entschluß verkündet, niemals eine weibliche Zuhörerin zu acceptiren; in einer anderen Abhandlung aber fühlt er ein menschlich Rühren und sagt wörtlich: „Warum sollte man nicht (wo es sich nicht um ein Princip handelt) da und dort einer interessanten, intelligenten, auch hübschen Frau gestatten, eine Vorlesung über irgend eine unverfängliche Disciplin zu besuchen?“ Und der Bonner Professor: „Einzelne Männer sind selten im Stande gewesen, einer lernbegierigen und nicht unliebenswürdigen Schülerin ihre Theilnahme und Hülfe zu versagen.“ (Wie sich der Herr Professor wohl eine Scene vorstellen mag, wo ein schüchternes junges Mädchen einzelne Herren um Hülfe und Theilnahme in ihren geistigen Nöthen anspricht?)

Durch solche harmlose Plaudereien lassen uns die gelehrten einen Blick in die Tiefe ihrer Auffassung thun. Ich klage diese Herren an, daß sie durch solche Aussprüche die Würde der Wissenschaft verletzen - ich klage sie an der Frivolität; denn das Seelenheil eines Menschen, die Entwicklung seiner göttlichen Natur machen sie davon abhängig, ob für sie, die Lehrer, ein kleines Procent sinnlicher Annehmlichkeit dabei abfällt. Ich klage sie an und denuncire sie - nein, ich denuncire sie nicht, ihre lieblose, erzdespotische, schauderhaft egoistische Gesinnung spricht laut genug durch ihre eigenen Worte. 

Gerade nach der Anschauungsweise dieser Männer müßte man den Häßlichsten und Unliebenswürdigsten am Ehesten das Studium gestatten wegen ihrer geringeren Chancen, einen Ernährer zu finden.

S. 64f:

Seltsam, daß man es den Frauen stets so übel anrechnet, daß sie mit den Jahren älter werden.

S. 84f:

Die deutschen Männer thun immer, als kämen, wo es sich um Frauen handelt, überhaupt nur deutsche Frauen in Betracht. (Geraten sie einmal ins Ausland, pflegen sie allerdings äußerst schnell ihre Meinung zu ändern.) Wer könnte nun behaupten, ohne sich lächerlich zu machen, daß Spanierinnen, Französinnen, Creolinnen und andere gluthaugige Südländerinnen sanften, geduldigen, nachgiebigen Temperaments seien? Und wahrlich, sie sind Frauen so gut wie die phlegmatischen Nordländerinnen. Tausende von Frauen sind klüger, heftiger, mutiger als Tausende von Männern, und Tausende von Männern sind sanfter, aufopferungsfähiger, gutmütiger als Tausende von Frauen.

Aus gewissen Gemüthseigenschaften der Frauen aber Barrikaden bauen zu wollen, um die Männer zu schützen vor einem etwaigen Einbruch dieser Frauenzimmer in das gelobte Land der Wissenschaft, wo der Honig der Weisheit nur für das starke Geschlecht fließt, das ist eine Lächerlichkeit, eine Ungeheuerlichkeit, die zu erkennen und zu beurtheilen späteren Jahrhunderten vorbehalten bleibt.

S. 93:

Sie ist so rührend, diese Besorgniß der gelehrten Herren, mit der sie unser schwaches Hirn vor Ueberanstrengung bewahren möchten! Die Gelehrsamkeit muß ihnen recht sauer geworden sein.

S. 121:

Angesichts dieses Aufsatzes werden Sie mich gewiß nicht für eine zartsinnige Frau halten, sondern viel eher für ein sogenanntes Mannweib; und doch kann ich Ihnen versichern, daß schon der Anblick einer todten  Maus mich mit Schaudern erfüllt; ja, das Gefühl des Ekels ist bei mir so leicht erregbar, daß ich Uebelkeit empfinden kann, wenn ich ein Kind mit auffallend entwickelten Lichterchen am Näschen erblicke.

S. 142:

Wir Frauen haben nun die Wahl zwischen Herrn von Bischof und Herrn Michelet: entweder wir sind Heilige oder eine Art Vice-Menschen mit einem starken animalischen Beigeschmack.

S. 152f:

Man redet der Frau ein, daß sie kränklich sei und schwach und daher des männlichen Schutzes bedürfe; denn ahnte sie die ihr angeborne Kraft und Gesundheit, so könnte der souveräne Mensch in ihr erwachen, und es könnte geschehen, daß eines Tages die Männererde der alten Germanen zur Menschenerde würde, gleichermaßen für Mann und Weib.

S. 154:

Vorläufig aber möchte ich bemerken, daß verschiedenen Menschen sehr verschiedene Dinge lächerlich erscheinen. Lächerlich werden der großen Menge immer erscheinen alle Dinge, die den hergebrachten Sitten und der Tradition widersprechen. Ich erinnere mich z. B., in der Zeit, als große Crinoline getragen wurden, wagte ich mich eines Tages ohne Crinoline auf die Straße. Ich erregte einen wahren Jubel unter dem Volk und der Schuljugend und wurde derartig ausgespottet und gehöhnt, daß ich mich nie wieder zu der maßlosen Lächerlichkeit, ohne den Umfang eines respektablen Tonnengewölbes auszugehen, hinziehen ließ.

S. 166:

„Eine Frau, die denkt,“ sagt Lessing, „ist gleich dem Manne, der Roth auflegt - lächerlich!“

S. 168:

Ihr seid Männer, und wir sind Frauen. Ja wohl! Aber die Geschlechtszwecke sind nur untergeordnete und physische, und wie der Geist Gottes über den Wassern, so ist die Seele des Menschen über dem Geschlecht.

S. 168:

Es ist eine alte ehrwürdig bemooste Anschauung, daß eine wissenschaftlich gebildete Frau eine schlechte Gattin und Mutter sein müsse. Ernsthafte Männer geben sich der excentrischen Vorstellung hin, daß Mutterliebe am Erlernen des Griechischen oder am Schwefeldunst physikalischer Experimente crepiren müsse.

S. 178:

Die Männer, die im Interesse der Geschlechtsverschiedenheit so energisch gegen die geistige Emancipation der Frau protestiren, sie leisten Vorschub der Herabwürdigung der Frau zu einer niederen Art von Mann. Der Beweis ist sehr einfach. Der Mann verlangt von der guten Gattin, daß sie seine Gesinnung, seine Anschauungen, seine Interessen theile, und ihm Gehorsam leiste. Seine Gesinnungen aber, sein Wille, seine Interessen sind männliche. Wer bestreitet es? Folglich ist das Frauenideal des Mannes: Ein schwacher Abklatsch seiner selbst.

S. 181:

Immer sollen wir uns aus der „Culturgeschichte“ Belehrung über den weiblichen Beruf schöpfen! Mit dieser Culturgeschichte hat es eine eigene Bewandtniß: sie hält so geduldig still, man kann so Vieles aus ihr heraus und in sie hineinlesen!

S. 184:

Woher nehmen unsere gelehrten und studirten Herren die sonderbare Anmaßung, jener Männer, welche durch Jahrtausende geheiligte Sitten übten, eines Verstoßes gegen die Naturgesetze zu bezüchtigen?

Woher die Anmaßung der Behauptung, daß nur der Europäer in den letzten Jahrhunderten die Naturgesetze der Frauen richtig interpretirte?

Die behaupteten (nicht zu verwechseln mit den begründeten Naturgesetze haben eine verzweifelte Aehnlichkeit mit den Religionen: Jeder glaubt die richtige zu haben.

„Gott und die Natur haben der Frau ihre Sphären bestimmt.“ So wird Gott sie auch durch seine Gesetze darin erhalten ohne Zuthun der Herren Professoren! Warum mischen Sie sich in des lieben Gottes Angelegenheiten?

S. 186:

Ich fasse, was ich fordere, noch einmal zusammen: Völlige Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem Gebiete der Wissenschaft, in Bezug auf Bildungsmittel und Verwerthung der erworbenen Kenntnisse.

S. 187:

Das Auftauchen der Frauenfrage in unserer Zeit hat durchaus nichts Befremdendes. Dieselbe Quelle, aus der alle Freiheitsbestrebungen der modernen Zeit geflossen - ihr entsprang auch die Frauenfrage. Die Bestrebungen der Frau fallen zusammen mit dem Siege der Idee über Vorurtheil, Tradition und Gewohnheit, mit dem Lebensprincip aller sittlichen Entwicklung überhaupt: der Sehnsucht nach Freiheit.

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