"Die Hebammen haben bisweilen die Neigung, das Kind nach der Geburt möglichst bald abzunabeln, auch wenn kein dringender Grund dafür vorhanden ist, auch wenn das Kind schreit, also athmet. Sie umschnüren sofort die Nabelschnur mit einem Bändchen, machen einen Knoten, legen näher zum mütterlichen Körper noch eine zweite Ligatur an und schneiden die Nabelschnur zwischen den beiden Ligaturen durch, um das Kind frei handhaben zu können.

Soll man dieses frühe Abnabeln dulden? Ich glaube nicht! Es ist viel darüber gestritten worden, begreiflich wieder mit theoretischen Gründen, denn es sind Kinder leben geblieben und es sind Kinder gestorben, die früh abgenabelt wurden, aber Eins ist mit Sicherheit erwiesen: Es geht, während das Kind schon geboren ist, in den Körper desselben noch Blut aus dem Mutterkuchen, der Nachgeburt, über. Die Menge ist gar nicht so unbedeutend, sie variiert von 30 bis 110 Gramm. Wenn jemand neugebornen Kindern Blut enziehen wollte, so würde man ihn ohne Zweifel für einen Herodes halten, *) weshalb sollen wir dulden, unseren Kindern das Blut vorenthalten wird, welches ihnen auf natürlichem Wege zufliesst? Die Behauptung, dass spät abgenabelte Kinder häufiger und stärker gelbsüchtig würden, als früh abgenabelte, ist vom rein theoretischen Standpunkte aufgestellt und hat sich, soweit meine Informationen reichen, durch die Erfahrung nicht bewährt. Uebrigens ist die Gelbsucht der Neugeborenen mehr erschreckend durch das Aussehen der Kinder, als sich thatsächliche Befürchtungen an die gewöhnliche Form derselben knüpfen, nur geht allerdings bei ihr ein Theil der rothen Blutkörperchen zugrunde, die aber doch nicht das ganze Blut, sondern nur ein Bestandtheil desselben, wenn auch ein sehr wichtiger, sind.

Schon bei den alten Geburtshelfern galt es als Regel, man solle mit dem Unterbinden der Nabelschnur warten, bis dieselbe aufgehört habe zu klopfen. In dieser Hinsicht braucht man sich nicht auf das Wort der Hebamme zu verlassen, jede bei der Geburt anwesende Angehörige kann sich davon durch Anlegen des Daumens und des Zeigefingers überzeugen. Solange die Nabelschnur noch klopft, noch pulsirt, geht nicht nur Blut aus dem Mutterkuchen zum Kinde, sondern auch noch Blut, wenn auch weniger, vom Kinde zum Mutterkuchen. Wenn die Nabelschnur aufgehört hat zu pulsieren, so geht kein Blut mehr vom Kinde in den Mutterkuchen und nur noch kurze Zeit solches vom Mutterkuchen in das Kind. Wenn man also dann noch etwa fünf Minuten wartet, so wird dem Kinde nichts Wesentliches mehr vorenthalten.

*) Allerdings ist schon im vorigen Jahrhundert von berühmten Aerzten und Geburtshelfern (von Swieten, Roederer, Smellie) Blut bei Neugeborenen dadurch entzigen worden, dass sie einige Unzen davon aus der durchschnittenen Nabelschnur herauslaufen liessen; aber dies geschah nicht in gewöhnlichen Fällen, sondern nur in solchen, in welchen sie wegen zu starker Anhäufung des Blutes in Kopf und Brust für das Leben des Kindes fürchteten."

Wie behütet man Leben und Gesundheit seiner Kinder? Dr. Ernst Brücke, 2. Auflage, 1892, S.11f

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