Die folgenden Beikostempfehlungen stammen aus dem Buch "Die ersten Mutterpflichten und die erste Kinderpflege", Friedrich August von Ammon, 6. verbesserte Auflage, Leipzig, 1854

Wie so viele andere Autoren empfiehlt auch von Ammon, neun Monate lang zu stillen. Allerdings fängt bei ihm die Beikosteinführung ebenfalls erst ungefähr zu diesem Zeitpunkt statt, und nicht schon deutlich früher wie bei anderen Autoren. Nachdem die ersten Zähne vollständig da sind, wird die Mittagsmahlzeit ersetzt. Von Ammon betont sehr, wie wichtig es für die Gesundheit von Mutter und Kind ist, langsam abzustillen. Darunter versteht er, eine Mahlzeit pro Woche zu ersetzen, so dass nach vier bis fünf Wochen nur noch eine Stillmahzeit übrig ist, die dann auch bald entfallen kann.

Von "zu langem" Stillen hält von Ammon nichts. Vermutlich, weil es für ihn voll stillen bedeutet, und er sich ein wirklich langsames Abstillen nicht vorstellen kann.

"Das Kind pflegt man gewöhnlich einen eben so langen Zeitraum hindurch an der Brust trinken zu lassen, als es im Mutterleibe getragen und genährt ward, demnach einen Zeitraum von neun Monaten hindurch. Ist derselbe abgelaufen, und ist der Zeitpunkt herangekommen, in welchem die ersten Zähne erschienen sind, so gewöhnt man das Kind nach und nach an andere Nahrung. Man kommt so den Bedürfnissen der Natur entgegen, und läßt nicht den Zeitpunkt heranrücken, in welchem die übrigen Zähne durchbrechen, welches zu lange anhält, um während seiner Dauer das Kind fortzustillen. Es läßt sich ferner nicht gut thun, während des Ausbruches der Zähne die Entwöhnung vorzunehmen, und es entsteht überdies die wichtige Frage: ob die Mutter oder Amme Milch genug habe, das jetzt immer schneller wachsende und mehr Nahrung bedürfende Kind zu sättigen, ohne ihrer eigenen Gesundheit zu schaden."

Aus der Bestimmung des genauen Zeitpunkts, der für das Entwöhnen oder Absetzen von der Brust, der günstigste ist, macht von Ammon geradezu eine Wissenschaft. Er ist sehr erpicht darauf, dass nur ein Arzt diesen Zeitpunkt bestimmen kann, weil so viele Dinge zu berücksichtigen seien. Darunter zählen Zeitpunkt und Art des Zahnens, die Konstitution des Kindes und die Jahreszeit. Viel mehr verrät er nicht. Scheint echt saumäßig schwierig zu sein, wenn er es der geneigten Leserin nicht erklären kann.

"So viel läßt sich im Allgemeinen über die Zeit sagen, in welcher man das Kind entwöhnen soll. Allein der Arzt muß dieselbe zum Besten des Säuglings genauer bestimmen; denn nicht nach dem Alter des Säuglings, sondern nach dem Zeitpunkte und der Art des Ausbruchs der Zähne muß sich das Entwöhnen richten; die Entwickelung der säugenden Kinder ist aber sehr verschieden. Werden Kinder zu früh von der Brust genommen, so magern dieselben gar oft schnell ab, verfallen in Atrophie. Diesem Fehler folgt nicht selten noch ein zweiter, welcher nicht minder verderblich ist; man bemüht sich nämlich, dern ersten dadurch wieder gut zu machen, daß man dem Kinde Fleischbrühen, Kraftmehl, Eier, süße Weine und andere sehr nahrhafte oder erhitzende Dinge reicht, welche der zarten Verdauungskraft und der Erregbarkeit des Gefäßsystems des Kindes nicht angemessen sind, und den Zustand verschlimmern."

Es ist ihm so wichtig, dass das Abstillen in ärztliche Hände gehört, dass er seine Warnungen an anderer Stelle noch einmal darlegt.

"Es ist bei der  Entwöhnung ein Arzt zu Rathe zu ziehen, welcher die Leitung derselben übernimmt; denn es ist keine leichte Aufgabe und erfordert Uebung von Seiten desselben, den richtigen Zeitpunkt der Entwöhnung für Mutter und Kind genau zu bestimmen und die bisher glücklich Stillende durch die Vorgänge gesund hindurch zu leiten, welche die Entwöhnung des Kindes von der Mutterbrust un dem Körper der Mutter, in welchem jetzt keine Milch mehr abgesondert wird, nothweniger Weise hervorrufen muß. Dieser wichtige physiologische Vorgang ist für die Gesundheit der jungen Mutter von großer Bedeutung; und da die Wissenschaft selbst dem erfahrensten Arzte nich mancherlei dunkle Seiten zur Aufklärung in dieser Angelegenheit beut, darf dieselbe der Bestimmung der Hebamme oder des Laien nicht überlassen bleiben. Ueberwacht ein Arzt die Abgewöhnung, so fällt von selbst alles Quacksalbern weg, da, so viele Bekannte eine junge Mutter hat, so viele Mittel ihr von denselben empfohlen zu werden pflegen. Der Arzt wird die nöthigen innern Arzneimittel verordnen, die zur Verminderung und zum Versiechen der Milchausscheidung erforderlich sind, und nach dem Entwöhnen die gewöhnliche Bedeckung der Brüste mit Baumwolle oder Watte und das Unterstützen derselben mittelst Tücher und Binden anordnen, um durch die Wärme dieser Mittel und die übrigen Eigenschaften derselben die Anschwellungen der Brüste und die daraus entstehenden Milchstockungen zu verhüten; der Arzt wird daher auch, im Fall das Entwöhnen für die Mutter von krankhaften Folgen sein sollte, diese in ihrem Entstehen zu beseitigen wissen und suchen, so daß mit der Beendigung dieses letzten organischen Actes in dem Cyclus, welchen Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillen des Kindes bilden, diese so wichtige, weit umfassende Function des Weibes glücklich zu Ende geführt werde. Er, ein Diener der Natur, weiß, daß die durch und durch praktische Natur in all' ihrem Sein ganz einfach ist, er wird daher auch hier sie nicht verkennen, und durch einfache Mittel und Wege sein Ziel zu erreichen wissen."

Dafür, dass er zuerst sagte, dass das langsame Abstillen schonend für Mutter und Kind sei, erwähnt er doch sehr viele Maßnahmen, die getroffen werden sollen, um Schaden abzuwenden. Ich sehe auch keinen großen Unterschied zu den Folgen des plötzlichen Abstillens, die er beschreibt.

"Viele Frauen halten nichts auf dieses langsame Entwöhnen, sondern sie reichen dem Kinde bis zu dem Tage, an welchem sie dasselbe von der Brust absetzen wollen, dieselbe, nachdem sie seit längerer Zeit dem Kinde schon mehrere Male am Tage Kuh- oder Ziegenmilch und andere Nahrung gegeben haben. Jetzt bedecken sie die Brust mit Wachsfett, dem sogenannten, Cerat, auf Leinewand gestrichen, und legen über dieses Baumwolle, nehmen ein Abführmittel und reichen dem Kinde, das natürlich nun viele Tage lang unter Schreien und Weinen die Mutter- oder Ammenbrust nicht vergessen kann, ein gemisch von Wasser un Milch. Während diese Mütter nun mehrere Tage lang an heftigen Schmerzen on den Brüsten leiden (demm diese schwellen heftig an, indem der Zuschuß der Milch nach den Brüsten nicht durch langsames Abgewöhnen vermindert worden ist), härmen sich die Kinder ab, gewöhnen sich schwer an die Entbehrung der Muttermilch, bekommen nicht selten Durchfall, und fast immer werden sie sehr welk, verlieren ihre frühere Kraft und Munterkeit, und dann vergeht ein großer Zeitraum, ehe sie auf den frühern Punkt der Gesundheit zurückkommen."

Ulkigerweise empfiehlt er das Abstillen in der warmen Jahreszeit. Damit steht er im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen Autoren, die vor den "Sommerdurchfällen" warnen, welche durch schnell verdorbene Tiermilch kommen.

"Ferner ist es nützlich in manchen Fällen auf die Jahreszeit einige Rücksicht zu nehmen; denn das Entwöhnen geschieht leichter zu der Zeit, wo man dem Kinde den Genuß der frischen, reinen Luft, und somit auch der Zerstreuung oder Bewegung nicht zu versagen braucht, als zur Zeit des Winters, des späten Herbstes oder des jungen Frühlings, wobei noch in Betracht kommt, daß die Milch der Kühe, Ziegen oder Esel, die zur Ernährung des entwöhnten Kindes gebraucht wird, zur Zeit der Frühlings- oder Sommerfütterung dem Kinde mehr zusagen wird, als in einer andern Jahreszeit."

Als erste Beikost empfiehlt er Mundsemmel* oder Zwieback, in Wasser geweicht und mit etwas Milch versetzt. So fad bleibt die Ernährung bis das komplette Milchgebiß da ist.

"Ein anderer Fehler, den man so oft begeht, ist der, daß man viel zu schnell von der Milchkost hinweg die Kinder an die Kost derErwachsenen gewöhnen will. Es ist nichts schädlicher und widersinniger, als der Wahn junger Mütter, das könne von keinen nachtheiligen Folgen sein. Aber Kinder vermögen ja nicht diese Nahrungsmittel der Erwachsenen zu kauen und zu verdauen, daraus entstehen dann Leibschmerzen und Durchfälle, und ihre Begierde wird ferner dadurch auf Speisen gerichtet, die ihrer Natur nach den noch schwachen Berdauungskräften eines Kindes keineswegs angemessen sind. Man thus jedenfalls am besten, bis zur gänzlichen Beendigung des Zahnens, bis zu der Zeit also, wo alle sogenannten Milchzähne erschienen sind, und das pflegt gewöhnlich mit dem Ablaufe des zweiten Jahres zu geschehen, sie außer dem Milchgenuß allein an Zwieback, Mundsemmel, mit Wasser erweicht und etwas weniger Butter vermengt, oder mittelst leicht bereiteter frischer Bouillon aufgebrüht, später an sogenannte Grütze oder Grießsuppe, an Reis, an weich gesottene Eier zu gewöhnen."

Insgesamt lässt sich von Ammon 12 Seiten lang über das Entwöhnen aus. Ganz schön viel Text für so wenig Information.

*Mundsemmel: Brötchen aus feinstem Weizenmehl wie in feiner Gesellschaft üblich. Quelle.