Die folgenden Beikostempfehlungen stammen aus dem Buch "Mutter und Säugling in gesunden und kranken Tagen", Helene Howad, Franz Deuticke Verlag, Wien, 1954

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Beikosteinführung schon sehr weit nach vorne verlegt worden und so beschreibt es auch Helene Howad.

Ausschließlich gestillt soll bis zum Ende des dritten Lebensmonats werden. Von da an gibt man täglich einmal (mittags) anstatt einer Brust- eine Breimahlzeit. In den ersten fünf bis sechs Tagen gibt man 4 bis 5 Eßlöffel Brei (am besten Grießbrei) und legt nachher an. Ab siebenten Tag füttert man die ganze Mittagsmahlzeit als Breimahlzeit (130 bis 140 g = 8 bis 9 Eßlöffel), ohne nachher zu stillen. Die anderen Mahlzeiten bleiben wie in den ersten Monaten gleich.

Wir werden später sehen, dass sie mit "ausschließlich stillen" nicht das meint, was man heute darunter versteht, nämlich dass außer Muttermilch und gegebenenfalls Medikamenten nichts, aber auch gar nichts in Babys Magen landet. Nichtmal Wasser oder Tee.

Dass zu festen Zeiten gestillt und gefüttert wird, ist 1954 selbstverständlich.

Mit Beginn des fünften Monats gibt man mittags eine Gemüsemahlzeit und abends Grießbrei. Man beginnt mit Karottenbrei. Nehmen Kinder diesen nicht gerne, so füttert man in den ersten fünf bis sechs Tagen nur 100 g (6 Eßlöffel vol) und 6 Eßlöffel voll Grießbrei. Nach dieser Übergangszeit füttert man mittags nur Karottenbrei (200 g = 12 Eßlöffel), am Abend Grießbrei, die anderen Mahlzeiten bleiben wie bisher. Erst wenn Karottenbrei von den Kindern gerne genommen wird, geben wir anstatt diesem Spinat- dann Kochsalat-, Tomaten-, Kartoffel, Karfiolbrei usw.

Falls sich jemand fragt, wie man so große Mengen an Brei in so ein kleines Kind hinein bekommt, hier die Antwort:

Alle Gemüse-, Milch- und Obstbreie werden mit dem Löffel gefüttert (man nimmt einen Kaffeelöffel halb voll und drückt die Nahrung sachte an den Gaumen, um ein Ausspucken zu vermeiden). Sollten die Kinder dabei Schwierigkeiten machen, darf man das nicht beachten, weil sie das Essen vom Löffel später noch schlechter erlernen.

Im Alter von drei Monaten haben fast alle Kinder noch den sogenannten Zungenstoßreflex. Das Kind spuckt die Nahrung nicht aus, sondern schützt sich, indem es alles, was nicht in seinen Mund gehört, mit der Zunge nach draußen schiebt. Solange Kinder diesen Reflex haben, sind sie nicht beikostreif.

Interessant ist auch diese "was Hänschen nicht lernt"-Einstellung. Glaubt die Autorin ernsthaft, dass Erwachsene nicht vom Löffel essen könnten, würde man sie nicht als Babys dazu gezwungen haben?

Vermutlich geht es eher darum, dass man den Kindern leichter Dinge aufzwingen kann, je jünger sie sind. Ein größeres Baby würde es vielleicht wagen, selber essen zu wollen, statt gefüttert zu werden. Und das geht ja nicht! Wo kämen wir denn da hin!

Die Temperatur des Breies wird, wie die der Milch, auf der Innenseite des Handgelenkes geprüft (nicht vom Löffel des Kindes kosten!).
Ab zehnten Lebensmonat lernt das Kind schon aus der Schale trinken, um ein langsames Abgewöhnen der Flasche einzuleiten.

Mit Beginn des sechsten Monats kann man die Zahl der Mahlzeiten von fünf auf vier reduzieren.

Mit Beginn des siebenten Monats kann man anstatt der Brustmahlzeiten Flaschenmahlzeiten (Vollmilch oder ein Milchgemisch) geben.

So wird schön langsam die natürliche Ernährung durch die künstliche ersetzt. Am Ende des sechsten Monats ist dann meist schon vollkommen abgestillt. Diese schrittweise Form des Abstillens ist für den kindlichen Verdauungstrakt sowie für die Rückbildung der mütterlichen Brust unbedingt zu empfehlen. Vielleicht ist noch zu sagen, daß das Abstillen womöglich niemals in die heiße Jahreszeit verlegt werden soll, weil dadurch für das Kind die Gefahr eines Darmkatarrhes besteht.

Diese Warnung, nicht in den Sommermonaten abzustillen, haben wir in früheren Beikostempfehlungen schon häufig gesehen. Sie hat sich wirklich lange gehalten. Da kann man mal sehen, wie lange in der modernen Zeit der Muttermilchersatz eine Gefahr darstellte.

Mit Beginn des achten Monats kann man schon Malzkaffee, hell eingekochten Kakao, Kalbsknochensuppe, ab und zu einen Löffel rohe, geschabte Leber (in das fertige Gemüse eingerührt) geben. Zweimal wöchentlich kann auch ein halber Eidotter in das fertige Gemüse eingerührt werden.

Ab dem ersten Lebensjahr kann der Speisezettel schon etwas erweitert werden, nur wird die Kost noch so lange in Püreeform zubereitet, bis das Kind Zähne hat. Ab dem ersten Lebensjahr kann man ab und zu auch schon ein ganzes Ei geben (mit Eiern soll man jedoch sparsam sein, ein Zuviel schadet). Fleisch gibt man ab dem zweiten Lebensjahr. Will ein Kind kein Fleisch, soll es dazu nicht gezwungen werden. Ist ein Kind ein "Fleischfresser" soll man trotzdem nicht mehr als 3 dkg pro Tag geben.

Das erste Lebensjahr beginnt mit der Geburt. Helene Howad meint hier offentsichtlich das zweite Lebensjahr. Demnach gibt es Fleisch bei ihr erst nach dem zweiten Geburtstag. Das steht im krassen Gegensatz zu der heute verbreiteten Empfehlung, Fleisch wegen des Eisengehalts schon früh zu geben. Und in noch krasserem Gegensatz zu den Empfehlungen von Dr. Ernst Brücke von 1892.

Ein Zufüttern vor dem Ende des dritten Monats ist, wenn genügend Muttermilch vorhanden ist, nicht anzuraten, weil überernährte Kinder vom gesundheitlichen Standpunkt absolut unerfreulich sind. Außerdem kommen sie, weil die träge sind, zu einer späteren Selbständigkeit im Sitzen, Stehen und Gehen. Überfütterung kann auch zu Darmstörungen oder übermäßigem Fettansatz führen, der bei Säuglingen ebenso unerwünscht ist wie im späteren Leben.

Zufüttern führt zu Überfütterung? Aber nur, wenn man das Kind mästet. Zugefüttert wird nicht zusätzlich zur vollständigen Ernährung, sondern es werden Stillmahlzeiten (teil-)ersetzt. Und wie dick muss ein Kind sein, dass es sich deswegen weniger bewegt?

Aber kommen wir auf das eingangs erwähnte ausschließliche Stillen zurück.

Von der fünften Woche an werden, um den Vitaminbedarf zu decken, Obst- und Gemüsesäfte gegeben, weil der Vitamingehalt der Muttermilch in diesem Alter nicht mehr genügt. Man gibt einmal täglich, etwa eine Viertelstunde vor einer Mahlzeit, einen Kaffeelöffel voll. Nun muß aber der Stuhl beobachtet werden, weil man an ihm erkennt, ob das Kind  den Saft schon verträgt. Verändert sich seine Beschaffenheit, muß noch eine Woche zugewartet werden, um dann den Versuch zu wiederholen. Bleibt seine Beschaffenheit unverändert, darf man täglich ein bis drei Löffel Saft geben.

Nein, das ist kein ausschließliches Stillen. Das ist der Beginn der Beikosteinführung.

Flaschenkinder brauchten diese Extraportion Vitamine früher tatsächlich. Doch Muttermilch enthielt immer schon alles, was ein Baby in den ersten sechs Monaten braucht.