Vor Erfindung der Pulvermilch haben doch sicher alle Mütter gestillt, oder? Von wegen! Pulvermilch wurde erfunden, damit Mütter, die nicht stillten und sich keine Amme leisten konnten, nicht gepanschte Tiermilch geben mussten. Die verwendeten Mixturen waren aufgrund ihrer Zusammensetzung und der mangelnden Hygiene so schädlich, dass nicht gestillte Kinder teilweise 12-mal häufiger starben als gestillte.

Stellt sich die Frage, was die Kinder denn statt der Frauenmilch bekamen. Kuhmilchgemische wurden am häufigsten verwendet. Manchmal wurde die Milch nur verdünnt, manchmal wurden andere Zutaten hinzugefügt.

Zwei Theile Wasser und ein Theil abgekochter Milch, sind ohnstreitig am passendsten zu der ersten Nahrung. Statt des Wassers kann man auch einen schwachen Fenchel- oder Chamomillenthee, mit Zucker versüßt, der Milch zusetzen. Man hat auch Reis, oder Gerstenwasser (nach der schon oben angegebenen Zubereitungsart) empfohlen, es muß aber immer mit Sorgfalt und von neuem bereitet werden, weil es leicht sauer wird.

- Adolph Henke, "Taschenbuch für Mütter", 1832

In Zeiten homogenisierter und pasteurisierter Milch macht man sich um die Kuh, von der die Milch kommt, beim Zubereiten der Ersatznahrung wohl selten Gedanken. Das war früher noch ganz anders. Da galt es zu klären, wie die Kuh gehalten wird, wie lang der Transportweg ist und ob die Milch von einer oder mehreren Kühen stammt.

Die Milch hängt von der Beschaffenheit der Kuh, der guten Fütterung und Stallung ab, und es ist immer wünschenswerth, die Kuh und ihre Pfleger nebst Besitzer mit eigenen Augen kennen zu lernen, um nicht hintergangen zu werden, wozu der Hausarzt, der ohnehin die künstliche Auffütterung eines Kindes von Anfang bis zu Ende überwachen soll, sich mit bemühen möge. Ob die Milch immer von einer und derselben Kuh zu entnehmen sei, ist eine Frage, die nicht absolut bejaht werden kann, denn auch die Milch derselben Kuh ist nicht immer gleichartig und wechselt nach Futter und Jahreszeit und dem Zustande des Thieres selbst.

- Dr. med. Hermann Klencke, "Die Mutter", 1875

Eine Gefahr der Kuhmilch, der man sich heute meist nicht mehr bewusst ist, ist die Tuberkulose. Nach Ziegelroth (1914) hatte etwa ein Viertel aller Kühe Tuberkulose und konnte diese durch die Milch auf den Säugling übertragen. Ziegen hingegen übertragen keine Tuberkulose.

Ziegenmilch ist zudem näher an Frauenmilch dran als Kuhmilch, dafür aber seltener zu haben. Bei der Ernährung mit Ziegenmilch machte man sich manchmal gar nicht erst die Mühe, das Tier zu melken.

Zur Ausführung des Vorschlages, die Kinder durch Ziegen säugen zu lassen, kann ich aus mehrern Gründen nicht rathen. Erstlich ist die Ziegenmilch viel dicker und gröber, als die Menschenmilch, und daher für das Kind auch viel zu schwer, besonders wenn das Thier aus seiner gewohnten Lebensart herausgerissen wird. Zweitens lassen nur sehr wenig Ziegen Kinder an sich saugen, und schlagen und stoßen nach denselben, wenn sie den Zitzen nahe gebracht werden. Bindet man aber einem solchen Thiere die Füße aneinander, um das Kind gegen Stöße oder Schläge zu sichern, so hält es meistentheils in seinem Unmuthe die Milch zurück und vereitelt alle Versuche des Säuglings, sich zu nähren.

- Dr. Johann Christian Gottfried Jörg, "Belehrungen für Schwangere", 1826

Doch nicht nur Tiermilch wurde als Ersatz verwendet. Dass der Eitrank ungesund war, versteht sich hoffentlich von selbst.

Ferner haben wir noch des Eiertrankes oder des Eiwassers zu gedenken, welches sich an Orten, wo gute Kuhmilch nicht zu haben ist oder dem Kinde nicht zusagt, und wenn andere Surrogate zu theuer sind, oft gut bewährt hat. Man giebt in den ersten Lebenswochen ein frisches Eiweiß auf ca. 1 1/2 Pfd. abgekochten Wassers, quirlt es sorgfältig und macht es mit etwas Kochsalz schmackhaft. Sollte das Getränk verweigert werden, so setzt man anfangs etwas Zucker zu und fügt nach und nach zu diesen Getränk einen Theelöffel des rohen Eidotters. Das Eiwasser darf nie gewärmt werden; denn da es häufig zu heiß dabei wird, scheidet sich das Eiweiß in ganz unverdaulichen Flocken aus. Bei Neigung zu Verstopfung läßt man das Eidotter wieder weg, bei Neigung zu Blähsucht oder Erbrechen muß man sich zuweilen auch nach anderweitigen Ersatzmitteln umsehen.

- Dr. med. Ernst Kormann, "Das Buch von der gesunden und kranken Frau", 1883

Da können wir doch wirklich froh sein, dass es heute hochwertigen Muttermilchersatz gibt.