Im Zuge der Recherche für meinen Beitrag über die Masern hatte mich interessiert, wie viele Kinder wohl früher an heute impfbaren Krankheiten gestorben sind. Da ich aber nicht die Möglichkeiten (Zeit und Geld) habe, eine stichhaltige Statistik aufzustellen, wollte ich zumindest schauen, wie das in einer Gegend war, aus der meine eigenen Vorfahren kamen. Ich habe die Gemeinde Kirn bei Münchham in Niederbayern ausgesucht, da
1) deren Kirchenbücher online einsehbar sind,
2) die Gemeinde mit ca 20 Todesfällen im Jahr überschaubar klein war,
3) ich persönlich an diesem Örtchen hänge.

Hier nun die Liste der Todesfälle, die mit heutigen Mitteln vermeidbar gewesen wären. Ich habe die historischen Krankheitsbezeichnungen gegen die modernen ausgetauscht, um Verwirrung zu vermeiden.

Kirn Sterbefälle 1839-1880

RIP

1839     einige an Fieber gestorben
  Leopold Lameder 11 Jahre Scharlach
  Sebastian Hermandinger 10 Jahre Scharlach
1840      
  Theresia Harhütter 6 Jahre Scharlach
  Magdalena Bründt 18 Jahre Typhus
  Bartholomä Bründt 63 Jahre Typhus
1841      
  Magdalena Kaser   Typhus
1842   22 Jahre  
  Anna 1 Jahr Pocken
  Franziska Seifinger 21 Jahre Typhus
1844      
  Kreszenz Wagner 14 Jahre Rachitis
1845      
  Anton Huber 10 Wochen Keuchhusten
1846      
  Anna Mooser 54 Jahre Tetanus
1847      
  Magdalena Obermaier 28 Jahre Typhus
  Theresia Brindlbauer 29 Jahre Typhus
1849      
  Franziska Duschl 3 1/4 Jahr Scharlach
1850      
  Rosalia Danninger 33 Jahre Masern
  Joseph 6 Jahre Fieber
1852      
  Joseph Saller 17 Jahre Typhus
  Andreas Saller 15 Jahre Typhus
  Theresia Saller 30 Jahre Typhus
  Ulrich Saller 20 Jahre Typhus
  Leokadia Zehentleitner 3 1/2 Jahre Keuchhusten
1853      
  Leokadia 1 Jahr Diphtherie
  Michael Mühlberger 20 Jahre Typhus
  Theresia 8 Wochen Keuchhusten
1854      
  Joseph Harrhamer 13 Tage Diphtherie
  Michael Grünleitner 27 Jahre Typhus
  Franziska Gartner 1/2 Jahr Keuchhusten
1855      
  Johann Baptist Steinhofer 23 Jahre Typhus
  Michael Saller 22 Jahre Typhus
1857      
  Gertraud Beider? 4 Jahre Diphtherie
1859      
  Theresia Wieser 22 Jahre Typhus
1864      
  Krescens Kautner 29 Jahre Masern
  Martina Nömann 6 Jahre Typhus
1865      
  Joseph Wieser 6 Jahre Diphtherie
  Philomena Hager 3/4 Jahr Keuchhusten
  Hedwig Huber 3 Wochen Scharlach
  Anna Eichinger 13 Wochen Keuchhusten
  Michael Ammer 59 Jahre Pocken
1867      
  Joseph Saller 63 Jahre Pocken
  Franz Erbentbichler 57 Jahre Pocken
  Maria Buchner 36 Jahre Typhus
  Ludwig Hager 1/4 Jahr Keuchhusten
1868      
  Anna Hölzl 1 1/4 Jahr Keuchhusten
1869      
  Clemens Mantlmüller 39 Wochen Diphtherie
  Ludwig Pinzl 4 Jahre Diphtherie
1870      
  Anna ?incherhauser 6 Jahre Scharlach
  Franz Stündl 2 1/2 Jahre Scharlach und Typhus
  Joseph Stündl 1 Jahr, 4 Wochen Lungenentzündung
  Joh. Fr. Stündl 5 Jahre 4 Monate Scharlach und Ödeme
  Anna Waldhör 14 Tage Diphtherie
1873      
  Anna Hinderauer 1 Jahr Keuchhusten
  Englbert Feilkas 3 1/2 Jahre Scharlach
1875      
  Michael Ammer 1 1/2 Jahre Diphtherie
1876      
  Rosa Röckenschuß 10 Monate Lungenentzündung
  Anna Kronawitter 1 1/4 Jahr Diphtherie
  Ann Herndl 2 Jahre Diphtherie
  Georg Eichhlseder 1 Jahr 1 Monat Diphtherie
1877      
  Joseph Zehentleitner 2 Jahre 8 Monate Scharlach
  Aloisia Braml 21 Wochen Diphtherie
1878      
  Elisabeth Gründl 3 Jahre Scharlach
  Theresia Mantlmüller 3 Jahre Scharlach
1879      
  Johann Oberhuber 6 1/2 Jahre Diphtherie
  Adalbert Oberhuber 4 1/2 Jahre Diphtherie
  Anna Dietringer 8 Jahre Diphtherie
  Johann Dietringer 3 1/2 Jahre Diphtherie
  Maria Finzl 2 Jahre Croup
1880      
  Theresia Rosinger 4 Monate Ausschlag
  Josef Wieser 2 Jahre Masern
  Maria Obernhuber 1 1/2 Jahre Croup
  Franz Kautner 2 Jahre Croup

 

Nachzuprüfen hier: Sterbematrikel Kirn auf matricula.eu

Ein paar Anmerkungen möchte ich noch machen.

Hinter Croup, Ausschlag und Fieber können sich verschiedene Krankheiten verbergen, z.B. auch Masern oder Scharlach.

Wir wissen nicht, wie viele Menschen jeweils erkrankt waren. Das heißt, wir wissen auch nicht, wie groß der Prozentsatz der Todesfälle bei den einzelnen Kranheiten war.

Man sieht, dass die Krankheiten während einer Epidemie gerne in einer Familie mehrfach zuschlugen. Ebenso sieht man, dass die Epidemien alle paar Jahre wieder kamen. Vermutlich dann, wenn genügend Kinder ohne Immunität "nachgewachsen" waren.

Weitere Neugeborene und Säuglinge sind an "Abzehrung" und "Krämpfen" gestorben. Diese habe ich nicht in die Liste aufgenommen. Ihre Tode wären aber vermutlich heute ebenfalls weitestgehend verhinderbar gewesen. Häufig waren sie direkte Folge des Nichtstillens.

Interessant zu wissen wäre noch die Einwohnerzahl von Kirn. Sie ist mir leider nicht bekannt, aber die Gemeinde umfasste ca. 55 Anwesen. (Quelle: Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Pfarrkirchen, Komission für Bayerische Landesgeschichte, 1973)
Geburten gab es den Taufmatrikeln zufolge ca 20-25 pro Jahr.