Schon mehrfach habe ich mein Hobby Familienforschung mit meiner Arbeit als Säuglingspflege-Historikerin verbunden. Das bietet sich geradezu an, wenn es um persönliche Geschichten, Lebensumstände, Statistiken oder der Verbreitung von Krankheiten geht.
Da Familienforschung aber so ein zeitaufwendiges Hobby ist, komme ich nur selten dazu. Ich habe einige Beitragsideen, die ich gerne umsetzen würde, die aber noch einiges an Recherche fordern. So wurden in Kirchenbüchern zeitweise die Namen der Hebammen verzeichnet. Interessant wäre hier, eine Hebamme und ihren Wirkungskreis zu verfolgen. Wieviele Geburten betreute sie im Jahr? Wie groß war ihr Einzugsgebiet? In welchem Alter begann sie ihre Tätigkeit? Hatte sie selber Kinder? So viele Fragen, die erforscht werden könnten!
In Kirchenbüchern finden sich außerdem mitunter interessante Bemerkungen zu der Stellung oder dem Leben einzelner Menschen. Eine Sammlung davon könnte aufschlussreiche Einblicke in die Weltsicht und die Lebensumstände der Menschen geben, wie in diesem Fundstück von 1881, in dem die psychische Gesundheit eines als "freundlich und sittsam" bekannten Mannes angezweifelt wird, nur weil er Atheist war und entsprechende Bücher las.
Derzeit hat mich das Forschungsfieber wieder voll gepackt. Eine amerikanische Ahnenforschungswebseite hatte ein Sonderangebot, bei dem ich nicht Nein sagen konnte. Durch diese Webseite hatte ich schon vor einigen Jahren wertvolle Informationen über einen Teil meiner Familie herausgefunden, der in die USA ausgewandert war. Daher wusste ich schon, dass Tillie (Matilda) Bergstermann 1912 ermordet wurde. Nun weiß ich außerdem, dass einer ihrer Onkel sich umgebracht hat. Einer ihrer zwei Brüder verschwand für einige Jahre von der Bildfläche, um dann in einem Mental Health Hospital wieder aufzutauchen. Die letzten Jahre seines Lebens hat er mit einem Mann zusammen gelebt. Da drängt sich die Frage auf, ob er wegen Homosexualität im Mental Health Hospital gewesen war. Was für spannende und traurige Geschichten!
Das hat natürlich nichts direkt mit Säuglingspflege zu tun, aber mit Beziehungen, Lebensumständen und der Gesellschaft allgemein. Verschiedene Ebenen von Zwischenmenschlichkeit können nicht isoliert betrachtet werden. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Darum geht es hier im Blog auch häufig einfach um Frauen und Mütter. Gerne würde ich auch mehr über Väter oder über andere Familienkonstellationen schreiben. Doch die Bücher, die ich für meine Recherche benutze, sind überwiegend geprägt vom biedermeierschen Familienbild: die Mutter kümmert sich um die Kinder, der Vater verdient das Geld außer Haus.
Auch da hilft die Familienforschung, das Bild zu ergänzen. So habe ich früh gelernt, dass die Tradition, dass bei einer Heirat die Frau den Namen des Mannes annimmt, noch gar nicht so alt ist. Nicht nur, dass Kirchenbücher deutlich zeigen, dass mitunter der Mann den Namen der Frau annahm. Auch haben Verheiratete teilweise getrennte Namen behalten.
Des weiteren wird die Berufsbezeichnung des Mannes insbesondere bei handwerklichen Berufen gerne auf die Frau ausgeweitet. Frauen waren aktiv am Betrieb des Mannes beteiligt. Die Tätigkeitsfelder waren nie so getrennt, wie die Biedermeier es gerne gehabt hätten. Das ging auch gar nicht, wenn das Zuhause gleichzeitig der Arbeitsplatz war.
So werde ich auch in Zukunft einige Geschichten und Erkenntnisse aus der Familienforschung mit Euch teilen. Andere -wie die Auswanderergeschichten- kommen auf meine persönliche Webseite www.bergstermann.de.
Wenn Ihr interessante Geschichten aus Eurer eigenen Familie kennt und sie gerne veröffentlichen wollt, schreibt mir! Persönliche Geschichten sind mindestens genauso faszinierend wie sachliche historische Fakten.