Zu einer Zeit, als Hausgeburten noch die Norm waren und Hebammen ohne Prüfung praktizierendurften, waren Geburtserlebnisse ganz anders als heute in technisierten und von Routine und Hebammenmangel geprägten Krankenhäusern ohne 1:1-Betreuung.

Eine 1:1-Betreuung - wenn nicht durch eine Hebamme, dann wenigstens durch eine Doula- kann das Geburtergebnis und -erlebnis signifikant verbessern. Das wusste man auch schon 1883.

Weibliche Pflege kann durch keines Mannes Hand ersetzt werden und gerade unter den jetzigen Verhältnissen gewährt eine Frau, welche bereits die gleichen durchmachte, einen ganz anders ermuthigenden und beruhigenden Einfluß, als der Arzt.

Das Buch von der gesunden und kranken Frau, Dr. med. Ernst Kormann, 1883

Auch dass zu viele Personen nur störend sind, wusste man schon lange. Kormann wollte nur die Hebamme und die Wochenwärterin bei einer regelmäßig verlaufenden Geburt dabei haben, insgesamt aber höchstens vier Personen. Demnach seien bei Geburtsbeginn nur folgende weitere Personen zu benachrichtigen: Arzt, vielleicht auch die Mutter, eine Tante, Schwester oder Freundin. Anwesende Frauen sollten selber schon entbunden haben, sonst seien sie als Beistand ungeeignet. Es ist aber auch bekannt, dass der Vater mitunter bei der Geburt dabei war.

Die Wochenwärterin war entweder eine bezahlte Hilfskraft oder eine Verwandte, die die häuslichen Pflichten der Wöchnerin übernahm, und sich um diese kümmerte.

Wie Kormann verlangte Friedrich August von Ammon schon 1854, dass nicht zu viele Personen in der Gebärstube sein sollen. Für ihn sollte die Wochenwärterin sogar schon vor der Geburt im Haus sein.

Manche junge Frau wünscht zur Zeit ihrer ersten Niederkunft eine Freundin zur Seite zu haben; ist eine solche bereits Mutter, so kann sie von Nutzen sein; unerfahrene Freundinnen aber müssen entfernt bleiben von einer Stätte, an der Ruhe, Stille, Muth und Ernst erforderlich sind; es ist nur das dringend nothwendige Personal in der Gebärstube zu dulden. Zu diesem gehört vorzüglich die Wärterin oder Stellvertreterin, die einige Zeit vor der Entbindung bereits im Hause  der künftigen Wöchnerin sein muß, damit sie, an die Oertlichkeiten und Sitten desselben gewöhnt, zur rechten Zeit den rechten Beistand schnell gewähren kann.

Die ersten Mutterpflichten und die erste Kindespflege, Friedrich August von Ammon, 1854

Die meisten von uns kennen Horrorstorys von Geburten. Auch früher wurden solche schon erzählt. Und damals wie heute ist es nicht sinnvoll, Erstgebärenden Angst vor der Geburt zu machen.

(...) seltene Unglücksfälle machen einen stärkeren Eindruck auf den Menschen, als der häufige, aber gewöhnlich glückliche Verlauf von Geburt und Wochenbett, und so ist es auch erklärlich, daß gerade die Unglücksfälle, so selten sie auch sind, immer wieder, und natürlich mit der nöthigen, oft unwahren Ausstattung (selbst zuweilen von den Hebammen) vorgetragen und bis ins Kleinste zergliedert werden. Und das soll eine junge Frau, die zum ersten Male niederkommen soll, die also noch gänzlich unbekannt mit dem ist, was die nächste Zukunft von ihr erwartet, nicht entmuthigen? Nein, dreimal nein! Es ist dies meist albernes Geschwätz!

Das Buch von der gesunden und kranken Frau, Dr. med. Ernst Kormann, 1883

Von Ammon ging noch einen Schritt weiter und verlangte, dass "schreckerfüllende Namen" für die Geburt nicht verwendet werden sollten. Darunter zählten für ihn Begriffe wie Wehen, in Kindesnoth liegen oder kreißen.

Schon 1820 verdammte Dr. Johann Christian Gottfried den Gebrauch solcher Wörter in seinem offiziellen Hebammenlehrbuch für das Königreich Sachsen. Zudem mahnte er die Hebammen ("Kindermütter"), sich nicht anzumaßen, sie würden das Kind zur Welt bringen. Das macht noch immer die Mutter selber. Die Hebamme ist nur der Beistand.

Wir gehen nun zur Gebährenden über, indem mich aber meine Schülerinnen dahin begleiten, muß ich ihnen erklären, daß wir nicht, wie die gewöhnlichen Kindermütter, in die Noth gehen, daß wir dort nicht in der Noth sitzen, sondern daß wir das angenehme Geschäft übernehmen, bey der Geburt mit Rath und That beyzustehen. Auch sind wir nicht gemeint, da das Kind zu bringen, womit sich so viele Hebammen zu brüsten pflegen, sondern dasselbe nur zu empfangen, und wenn denn dies wirklich unser Vorsatz ist, so wollen wir uns auch ferner dieser Ausdrücke enthalten. Durch Ausdrücke, wie: in der Noth sitzen, in die Noth gehen müssen wir junge Gebärende schrecken und durch das /Kinderbringen/ maßen wir uns mehr an, als recht ist. Eine Hebamme kann und darf kein Kind bringen. Die Gebärmutter treibt dasselbe an die Aussenwelt, und ist die Gebärmutter nicht vermögend, dies zu bewerkstelligen, so ist die Hülfe des Geburtsarztes erforderlich. Jede Sache mit ihrem rechten Namen belegt! Eine gute Hebamme wird auch hier immer bescheiden seyn und sich nicht mehr anmaßen, als ihr zukommt. Bis jetzt hatte die Leipziger Entbindungsschule das Glück, daß ihre Schülerinnen die Kinder nicht brachten, sondern nur empfingen. Mögen es immer alle die folgenden mit der Schonung fortsetzen, welche den Gebärenden wohl thut und mögen sie auch daher nie die oben angeführten schrecklichen Worte weiter hören lassen.

Lehrbuch der Hebammenkunst, Dr. Johann Christian Gottfried, 1820

Für die Wehenminderung oder Narkose kannte man 1854 Chloroform, über dessen Verwendung aber allein der Arzt entscheiden sollte. 1883 verwendete man zudem "subcutane Einspritzung von konzentrierter Morphiumlösung". Die Gebärende sollte sich in einem mehrstündigen Schlaf erholen. Danach wurde die Geburt angeblich häufig innerhalb einer halben Stunde beendet.

Das Verhalten der Frauen während der Geburt ist biologisch vorgegeben, solange keine störenden Umstände herrschen. So wundert es nicht, dass die Beschreibungen des Geburtsvorganges denjenigen unter uns, die eine selbstbestimmte Geburt kennen, sehr bekannt vorkommen.

Die zweyte Periode der Geburt beginnt mit der anfangenden Eröffnung des Muttermundes und endet wenn derselbe vollständig erweitert ist. Sie geht also auf die Eröffnung der Gebärmutter aus, um dem Kinde und der Nachgeburt den Ausgang zu bereiten. Deswegen wird dieser Periode auch die vorbereitende genannt und die Wehen, welche während ihrer Dauer wirken, heißen vorbereitende Wehen. Es wird jetzt noch nichts vom Eye ausgestoßen, es wird erst die Vorbereitung dazu gemacht. Die vorbereitenden Wehen sind beträchtlich stärker, als die vorhersagenden, daher verursachen sie auch mehr Schmerz. Die robusteste Frau empfindet sie und sucht sich anfänglich durch Hin- und Hergehen (durch Kreisen) dagegen zu schützen; allein es verschafft der Gebährenden keine Erleichterung, und weil gegen das Ende dieser Periode die Zusammenziehungen der Gebährmutter so stark werden, daß sie die Schenkel mit erschüttern, so wird es den Kreisenden gewöhnlich unmöglich, länger zu stehen oder zu gehen, sie legen oder setzen sich nun am liebsten. Dasselbe thut auch das gebärende Thier; wenn es vorher längere Zeit umhergestampft hat, hin- und hergetrippelt ist, so legt es sich, wenn ihm die Wehen zu umgreifend, zu erschütternd werden.

Lehrbuch der Hebammenkunst, Dr. Johann Christian Gottfried, 1820

Die Wehen nehmen nun im steigenden Grade zu; die Kneiper und Rupfer, so nennen gewöhnlich die Hebammen diese vorbereitenden Wehen oder Anfangswehen, haben eine sehr verschiedene Dauer von einigen Stunden bis zu einigen Tagen; jedoch ist das letztere selten der Fall. Diese eigenen Schmerzen, welche den nicht selten vor dem Eintritt der Regeln empfundenen ähnlich sind, erweitern nach und nach den sogenannten Muttermund, d.h. die Oeffnung der Gebärmutter; die Eihäute, welche die Hülle des Kindes abgeben, drängen sich jetzt mit dem in ihnen enthaltenen Fruchtwasser durch den weiter geöffneten Muttermund, bersten, und es entsteht der sogenannte Wassersprung, d.h. das Fruchtwasser fließt mit mehr oder weniger Geräusch ab. Die jetzt heftiger werdenden Wehen, durch welche der Muttermund so erweitert wird, daß der Kopf des Kindes eintreten kann, erstrecken sich nun vom Kreuz bis auf die Kniekehlen; die Frau kann nicht mehr umhergehen, sondern muß bei dem jedesmaligen Eintritte der Wehen einen festen Stützpunkt suchen; dieselben kommen alle drei bis vier oder alle acht bis zehn Minuten, und dauern nach den Umständen kürzer oder länger. Der Kopf des Kindes wird jetzt immer mehr durch den weiter geöffneten Muttermund getrieben, die Zusammenziehungen in der Gebärmutter werden kräftiger und daher die Wehen schmerzhafter; die Schmerzen erstrecken sich bis in die Fußsohlen, die Gebärende ist jetzt genöthigt, sich zu setzen oder zu legen, indem die Knie wanken und der ganze Körper mehr angegriffen wird. Ein heftiger Schweiß bedeckt Stirn und Hals, der ganze Körper ist in einem starken Kampf begriffen, alle Muskelkraft wird zu Hülfe genommen, um den mehr und mehr nach unten und außen drängenden Körper des Kindes auszustoßen; die Natur nöthigt die Gebärende, durch Anhalten des Athems und das Herabdrängen des Zwerchfells, Anspannen der Bauchmuskeln, die Wehen zu verarbeiten, d.h. die Zusammenziehungen der Gebärmutter durch Anwendung der Bauchpressung zu unterstützen. Das Athemholen wird schneller, die Wangen werden röther, Anstrengung wechselt mit Ermattung, Anspannung mit Abspannung. Die Gebärende wendet alle Kräfte an, Beklemmung und Ungeduld pressen ihr lautes Wimmern, selbst Geschrei aus, die Glieder zittern, der Schmerz erreicht seinen höchsten Grad, Wehe folgt auf Wehe, das Fortrücken des Kopfes durch die Scheide, das Hervortreten desselben durch die äußern Geburtstheile verursacht einen mit Vorsatz verstärkten Drang, noch wenige Augenblicke, und ein Schrei des Kindes verkündigt dessen Geburt."
"Während dieses physischen Actes befindet sich aber bisweilen auch die psychische Seite des Weibes in einer veränderten Thätigkeit; plötzliche Veränderungen und Bewegungen im Gemüthsleben, momentanes Phantasiren und irrige Vorstellungen von der Außenwelt treten hier bisweilen ein, und zeigen dann nur zu deutlich den großen Kampf, welchen die Natur zu bestehen hatte. Das Gefühl der Mutterliebe verleiht aber dem Weibe eine außerordentliche Stärke im Erdulden des Gebärschmerzes.

Die ersten Mutterpflichten und die erste Kindespflege, Friedrich August von Ammon, 1854