Ab dem 11. September 1825 trat in Bayern das Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung in Kraft. Brautpaare mussten nachweisen, dass sie ihre künftige Familie ernähren konnten, bevor ihnen erlaubt wurde zu heiraten. So sollte insbesondere verhindert werden, dass arme Leute heirateten und mit ihren Kindern dem Staat bzw. der Gemeinde auf der Tasche lagen. 

Ansässig machen konnten Paare sich nur, wenn in dem Ort, an dem sie leben wollten, eine entsprechende Stelle frei war. Wenn einem Ort eine Schreinerei frei war, konnte ein Schreinerpaar sich ansässig machen, wenn es an einem Schuster mangelte, konnte sich ein Schusterpaar ansässig machen. Bei Bauersleuten hieß dies, dass ein Hof frei werden musste. Weder durften neue Höfe gegründet, noch bestehende Anwesen aufgeteilt werden. 

Normalerweise wurden Höfe an eines der Kinder übergeben. Die Eltern mussten sich dann aufs Altenteil zurück ziehen ("in den Austrag gehen"). Meistens erbte eines der jüngeren Kinder den Hof, da die älteren nicht so lange warten wollten oder konnten, sich ansässig zu machen und zu heiraten. 

Da an die Ansässigmachung so hohe Hürden geknüpft waren, gründeten Paare oft schon vor der Eheschließung eine Familie. Zu dieser Zeit kam etwa jedes dritte Kind vor- oder unehelich zur Welt. Insofern ging die Rechnung nicht auf, die Armenkassen durch Heiratsverbote zu entlasten. Menschen leben nicht enthaltsam, nur weil sie nicht heiraten dürfen. Dafür konnten sie sich leichter wieder trennen. Unverheiratete Mütter hatten jedoch kaum die Möglichkeit, eine Familie zu ernähren. Viele Menschen wagten dadurch aber auch den Schritt, nach Amerika auszuwandern, wodurch dem Land Arbeitskraft verloren ging. 1868 wurde das Gesetz abgeschafft.

Die Akten zur Ansässigmachung und Verehelichung bieten uns heute einen faszinierenden Einblick in das Leben der Menschen. Viele dieser Akten wurden mittlerweile digitalisiert und können beispielsweise bei familysearch.org eingesehen werden. Die Unterlagen meiner Altgroßeltern Joseph Putz und (Anna) Maria Lukas finden sich hier auf S. 2079-2101.

Rotthalmünster am 18. Merz 1856.

Joseph Putz angehender Eggenberger in der Gemeinde Pattenham will sich auf dem übernommenen Anwesen ansässig machen, und mit Maria Lukas, lediger Bauerstochter von Kindlbach Gerichte Greisbach verehelichen, welche ein Vermögen von 2000 Gulden in die Ehe bringt nebst einer standesmässigen Ausfertigung.

Uneheliche Kinder sind nicht vorhanden.

Brautleute bitten unter Vorlage ihrer Zeugniße um die polizeiliche Einwilligung zur Ansässigmachung und Verehelichung und unterschreiben zur Bestätigung auf Vorlesen.

Joseph Putz und Anna Maria Lukas heirateten am 8. April 1856 in Rotthalmünster. Vorher jedoch mussten sie den notwendigen Papierkram zusammentragen. Dazu gehörten:

  • Taufscheine. Diese sind als Geburtsurkunden zu betrachten, da es erst ab 1876 standesamtliche Aufzeichungen gab.
  • Nachweis über Entlassung aus dem Militärdienst. Dieser war Pfilcht, aber nicht jeder wurde eingezogen. Auch das stand auf dem Entlassungsschein.
  • Leumundszeugnisse.
  • Schulabschluss-Zeugnisse.
  • Religions- bzw. Sonntagsschulzeugnisse.
  • Nachweis über die Pockenimpfung.
  • Notarielle Bescheinigungen über die Mitgift der Braut.
  • Notarielle Bescheinigung über die Ansässigmachung des Bräutigams. Im Beispiel meiner Altgroßeltern ist dies der Übernahmevertrag für den Eggenberger Hof.

Josephs Vater war 1852 gestorben und 1855 war es für seine Mutter Cäcilia im Alter von 65 Jahren Zeit, sich aufs Altenteil zurück zu ziehen. Somit konnte der 35jährige Joseph den Hof übernehmen. Bei den Dokumenten für die Heiratserlaubnis befindet sich darum auch der Übergabevertrag für den Hof. Darin ist auch das Altenteil von Cäcilia geregelt, sowie Josephs Pflichten gegenüber seinen Geschwistern.

Alle neun Kinder hatten bis ins Erwachsenenalter überlebt, was für damalige Verhältnisse schon ungewöhnlich war. Joseph war der älteste überlebende Sohn. Sein Bruder Paul war 1850 unverheiratet und kinderlos im Alter von 32 Jahren an "Gedärm-Entzündung" gestorben. Auch seine Schwester Elisabeth war 1855 bereits verstorben, aber sie hatte geheiratet und Kinder hinterlassen, so dass sie im Gegenteil zu Paul im Übernahmevertrag Erwähnung findet. Denn mit dem Übernahmevertrag für den Hof wurde gleichzeitig Cäcilias Erbe geregelt.

Jedes von Cäcilias Kindern hatte einen Anspruch auf 2000 Gulden, sowie zwei Betten samt Decken, Kissen und Bezügen, einem "Kammerkasten" und einer Truhe bei "Verehelichung, Versorgung oder in sonstigen Bedürfnisfällen". Für die bereits verheirateten Töchter Theres und Creszenz, sowie Elisabeths Kinder wurde festgehalten, welcher Betrag jeweils noch ausstand. Die Geschwister Franz (32), Michl (28), Anna (25) und Zezilia (23) waren noch ledig und lebten mit Joseph und ihrer Mutter auf dem Eggenberger Gut.

Laut Übernahmevertrag standen der Mutter 1000 Gulden "Anstandsgeld" zu, "zahlbar nach ihrem Verlangen". Des weiteren folgende Sachleistungen:

  1. die lebenslängliche freie Wohnung im rechten Seitenstübl zu ebener Erde, welches der Gutsbesitzer im wohn- u- heizbaren Stande zu unterhalten hat.

  2. zur Beheitzung jährl. 2 Klafften Scheiter, Eisenmaß, 3 Klaffter Wid, die benöthigten Spänne

  3. zur Beleuchtung zusätzlich 3 Pfund Kerzen.

  4. Zur Nachrung wöchentlich 1/4 Pfund Zucker u ebensoviel Kaffee. jährlich ein Schäffl Weizen und 1 1/2 Schäffl Korn, welches Getreid zu und von der Mühle gebracht werden muß, bey jedem Backen einen weißen Wecken Brod, wöchentlich 3 Pfund Rind- oder Kalbfleisch nach ihrer Wahl. alle Tage 4 Maßl süße Milch u 4 Eier, quartaliter 4 Randlpfund Rindschmalz, jährlich einen Somerfrischling oder [unleserlich] in Geld, Kraut und Kartoffeln, Rüben u weideres Gemüse nach ihrem Verlangen u nach Bedarf, den dritten Theil vom reifen und gedörrten Obste und alle Quartale sechs Gulden Einspendgeld

Für die Bekleidung standen Cäcilia jährlich ein Paar Strümpfe, zwei Hemden, ein Paar Schuhe und Pantoffeln, ein Pfund Flachs und für die übrige Kleidung 6 Gulden zu. Alle drei Jahre musste ihr Bett "überzogen", also die Matratze neu gestopft und die Gurte, die statt eines Lattenrostes verwendet wurden, ausgebessert werden. Auch die Bettwäsche musste alle drei Jahre erneuert werden. Ihre Kleidung und Bettwäsche war zudem in gutem Zustand zu erhalten und bei Bedarf auszubessern.

In Krankheitsfällen hatte Joseph sich darum zu kümmern, dass Cäcilia gepflegt wurde und ärztliche Hilfe und Medizin bekam. Die Kosten dafür musste Joseph tragen. Im Todesfall hatte er für eine standesgemäße Beerdigung aufzukommen.

Nachdem die Hofübernahme nun geregelt war, stand es Joseph offen, sich zu verheiraten. Er fand seine Braut in der elf Jahre jüngeren Anna Maria Lukas. Maria war die uneheliche Tochter zweier Müllerskinder. Ihr Vater, Johann Lukas, übernahm die elterliche Rauhmühle in Ering am Inn. Ihre Mutter, Maria Hüfinger, heiratete auf das Brunnlehner-Gut in Kindlbach ein, wo Maria groß wurde.

Johann Lukas schenkte seiner Tochter als Mitgift eine nicht näher spezifizierte "standesgemäße Ausfertigung" (d.h. Ausstattung) sowie 1000 Gulden, welche ihr allerdings nicht in einer Zahlung, sondern nach den Möglichkeiten von Johann und seiner Ehefrau im Laufe der Jahre ausgezahlt würde. Dieses Geld wurde aber für die Eheschließung voll angerechnet und so wurde Maria ein Gesamtvermögen von 2000 Gulden von der Landesgemeinde-Verwaltung Kindlbach bezeugt.

Ihre Leumundszeugnisse bezeichneten Maria als sehr fleißig, arbeitsam und friedliebend, und Joseph als sehr ordentlich, fleißig und häuslich. Durch den Entlassungs-Schein vom Militär haben wir sogar eine Beschreibung von Joseph. Er war umgerechnet gut 1.63m groß, hatte blonde Haare und graue Augen. Seine Gesichstform war länglich, seine Stirn breit und das Kinn "spitzig". Er hatte einen untersetzten Körperbau und eine gesunde Gesichtsfarbe.

Auffällig ist die unterschiedliche Gestaltung der Abschluss-Zeugnisse. Joseph hatte nur eine Sonntagsschule besucht.

Zeugniß

Joseph Putz, Bauers-Sohn von Eggenberg, erwarb sich beym gesetzlichen und fleißigen Besuche der Sonntags Schule dahier, die nöthigen Kenntniße, und betrug sich sittlich gut und ordentlich, was ihm zum bewilligten Austritte auf höfliches Ansuchen bestätigt,

die Königliche Lokale Schul-Inspektion
Rotthalmünster, den 19ten September 1836

Maria dagegen besuchte eine reguläre Schule.

Schulzeugniß

Maria Lukas, Bauers Tochter von Kindlbach geboren den 20ten August 1830 besuchte die hiesige Werk- und Feyertags Schule die gesetzl. Zeit und hat sich bei ihrer Entlaßung aus derselben nachstehender Censur würdig gemacht:

Geistesanlagen: gute.
Fleiß: mittlmäßig.
Fortgang: gut.
Sittliches Betragen: sehr gut.
Religion: gut.
Sprachkenntniß: genügend.
Lesen: sehr gut.
Schreiben: gut.
Rechnen: mittelmäßig.
Nützliche Kenntniße: genügend.

Gegeben zu Bayerbach den 10ten Maerz 1856.
Königliche Local-Schul-Inspection Bayerbach

Erklärung der Noten.
1. Note = vorzüglich.
2. Note = sehr gut - sehr groß.
3. Note=  gut - groß.
4. Note = mittelmäßig.
5. Note = schlecht - unfähig.

Die Kenntnisse über die katholische Religion mussten noch extra bescheinigt werden.

Sonntagsschulzeugniß

Maria Lukas, außereheliche Tochter des hiesigen Ramüllers Johann Lukas, hat während ihres Aufenthaltes dahier die Feiertagschule, und gleichzeitig die Christlichen Religionsvorträge sehr fleißig besucht, um Fortgange sich immer unter den beßren Schülerinnen sich erhalten, und dabei stets ein empfehlenswerthes sittliches Betragen an den Tag gelegt. Dieß bezeugt
Ering am 17ten März 1856
die Königl. Lokalschulinspektion Ering

Auch hier fiel Josephs Zeugnis wesentlich kürzer aus.

Religions Zeugniß

[Unleserlich] Joseph Putz besuchte die Christenlehren in Schule u. Kirche fleißig u. erwarb sich hiedurch die nöthigen Kenntnisse in der kath. Religion
[Unterschrift]

Am 2. April 1856 wurde ihnen die Erlaubnis zur Eheschließung erteilt. Sie heirateten am 8. April 1856 in Rotthalmünster und hatten sieben Kinder.

In Erinnerung an
Joseph Putz (10. Okt 1819 - 18. Mai 1886)
und
Anna Maria Lukas (20. Aug 1830 - 22. Sep 1879)