Vielfach herrscht heute die Vorstellung, Frauen seien noch vor 100 Jahren reihenweise im Wochenbett gestorben. Bereits in den 1880er Jahren lag die Zahl dieser Todesfälle jedoch deutlich unter 1%. 

Von 10.000 Entbundenen starben im Wochenbett [Quelle]:

  Preußen
in Stadtgemeinden
Preußen
in Landgemeinden
Königreich Bayern Königreich Sachsen Großherzogtum Baden Großherzogtum Hessen Staat Hamburg
1880 50,3 57,0 54,3 - - - -
1881 51,5 61,7 59,4 - 66,5 - 63,4
1882 50,7 63,9 56,5 - 75,0 49,7 61,5
1883 50,0 61,3 58,2 68,3 68,5 55,5 73,0
1884 47,1 60,8 62,6 76,9 76,1 62,0 47,3
1885 47,7 64,2 66,4 74,4 82,9 60,2 61,0
1886 45,2 61,7 64,4 69,5 77,0 59,2 46,1
1887 42,9 58,7 58,6 61,0 67,6 63,4 61,5
1888 36,6 51,4 57,4 62,1 73,9 53,4 52,2
1889 33,2 48,1 50,7 64,2 66,1 43,8 49,4
1890 33,1 47,7 - 57,2 67,4 46,2 49,7
               


Doch wie genau und zuverlässig sind diese Statistiken? Alfred Hegar schien sie für unzuverlässig zu halten. Allerdings bezieht sich sein Einwand hauptsächlich darauf, dass beispielsweise Todesfälle nach Fehlgeburten nicht in der Statistik auftauchen.

Im Centralblatt für Gynäkologie, 17. Jahrgang, No 1/1893 berichtet Münchmeyer von einem Vortrag Hegars mit dem Titel "Zur geburtshilflichen Statistik in Preußen und zur Hebammenfrage":

Hegar weist in dem Vortrage durch genaue Prüfung der von Böhr und Ehlers bearbeiteten Preußischen und Berliner Statistik deutlich nach, dass unsere Statistiken des Kindsbetttodes noch mangelhaft, des Puerperalfiebertodes aber fast unbrauchbar sind und giebt Vorschläge, wie auf diesem Gebiete Besserungen erzielt werden können. Eine bessere Statistik des Kindsbetttodes lässt sich wohl erreichen durch Anweisung des Standesbeamten, jedes Mal die Frage zu stellen, ob dem Tode in den letzten 4 Wochen eine Niederkunft vorausgegangen sei, bezüglich durch Einführung einer solchen Frage in die Leichenscheinfragen, und bleibt am besten dabei jede Bemerkung, ob ein Zusammenhang zwischen beiden bestanden, fort, womit jedes subjektive Element, einer Statistik stets nur schädlich, fortfällt. Viel schwieriger, und wo kein Leichenscheinzwang mit Todesursachenangabe besteht, überhaupt nicht ausführbar wird eine Statistik des Kindbettfiebertodes sein. Hierbei ist vor Allem von den Ärzten Offenheit bei der Angabe der Todesursache zu verlangen unter Hintansetzung aller Scheu, das Kind mit dem richtigen Namen zu nennen; diese ist vielfach nachweislich vorhanden. Todesfälle von der 28.-30. Woche an werden am besten mit solchen am richtigen Termin in einer Kategorie untergebracht: Todesfälle vor dieser Zeit lassen sich zwar auch mit obigen zusammenwerfen, besser aber ist es jedenfalls schon mit Rücksicht auf die einer neuen gründlichen Bearbeitung so bedürftigen Lehre von der vorzeitigen Geburt, ein Schema mit Auseinanderhaltung der verschiedenen Zeiträume (rechtzeitige, in den letzten 2 Monaten der Schwangerschaft, in den ersten 3 Monaten derselben erfolgte Geburt) aufzustellen. Speciell bei Fehlgeburten wird es aber stets sehr schwer sein, eine einigermaßen richtige Statistik zu erhalten, nicht nur weil viele von den Betheiligten unerkannt oder misskannt verlaufen, sondern weil sie auch aus naheliegenden Gründen verheimlicht werden. Die aus der preußischen und Berliner Statistik gefolgerte Annahme einer Besserung der Mortalität im Wochenbette und der weitere Schluss, dass diese behauptete Sterblichkeitsabnahme der besseren Ausbildung der Hebammen und ihrer guten Handhabung der Antisepsis zuzuschreiben sei, widerspricht den von Hegar aus der Badischen Statistik geschöpften Thatsachen. Eben so ist die Annahme Dohrn’s, dass eine Differenz von 0,52 gegen 0,56 Mortalität im Wochenbett in den Stadt- und Landkreisen Ostpreußens auf einer verschiedenen Vertheilung der Hebammen beruhe, nicht berechtigt, vielmehr hat Böhr nachgewiesen, dass die am besten mit Hebammen versehene Proinz Hessen-Nassau 1868/74 die größte Mortalitätsziffer aufwies, während Posen mit der geringsten Hebammenzahl erst an die 9. Stelle unter den 12 preußischen Provinzen in Bezug auf Kindbettod kam.
Münchmeyer (Dresden)