Familienleben einst & heute

"Wohlmeynender Rath für Aeltern" aus 300 Jahren Erziehungsratgebern und wie dieser sich bis heute auswirkt.

Oktober ist Pregnancy and Infant Loss Awareness Month.

Auch in diesem Jahr möchte ich wieder einen Beitrag dazu leisten, verwaiste Eltern und ihre Kinder sichtbar zu machen. Der Tod ist in unserer Gesellschaft zum Tabu geworden. Der von Babys und Kindern ganz besonders. Aber es betrifft viele. Und diejenigen, die nicht selbst betroffen sind, wissen häufig nicht, wie sie reagieren sollen. Darum wurde der Oktober zum Pregnancy and Infant Loss Awareness Month bestimmt. Betroffenen Eltern soll gezeigt werden, dass sie nicht alleine sind, und anderen soll gezeigt werden, wie sie die Betroffenen unterstützen und ihnen respektvoll begegnen können.

Vor kurzem erschien ein Artikel in der Welt, der sich damit beschäftigte, wie schnell und mittlerweile häufig Memes, Links und Inhalte von rechten und christlich-konservativen Personen und Organisationen in den Social Media von BO- und AP-Accounts geteilt werden. Dieses Problem habe ich schon mehrfach thematisiert (z.B. hier und hier). Und auch erfolgreiche Autorinnen wie Nora Imlau (Link zu Twitter-Thread) und Susanne Mierau (Link zu Instagram-Post) werden nicht müde, hier Aufklärungsarbeit zu leisten. Der Artikel von Anne Dittmann ist absolut lesenswert, darum verlinke ich ihn hier: "Rechte Ideologien auf Instagram: Sie treffen Mütter da, wo es ihnen weh tut"

Doch ausnahmsweise will ich heute gar nicht weiter über dieses Thema schreiben. Es geht mir heute um etwas ganz anderes, was dieser Artikel mir nebenbei noch einmal vor Augen geführt hat: Wir haben in Deutschland ein Problem mit Expertise.

Dr. Thomas Joseph Lauda erklärt uns, unter welchen Umständen das Baby sicher im Bett der Mutter schlafen kann. Seine Ausführungen sind erstaunlich ähnlich zu heutigen Empfehlungen. Darum vorweg erst mal die aktuellen Empfehlungen zum Co-Sleeping und Bed-Sharing des Schlaflabors der Universität Durham. Dieses wird geleitet von Professor Helen Ball.

Der Arzt Thomas Joseph Lauda war ein Verfechter des Co-Sleepings für Babys in den ersten Monaten. Nachdem Lauda in seiner Buch "Pflichten gegen Kinder" von 1855 über die Vorteile des Co-Sleepings referiert  und festgestellt hat, dass Babys ohne Co-Sleeping schlechter schlafen, widmet er sich den Gründen, warum es dennoch oft nicht statt findet. Er sieht die Hauptursache in unverständigen Hebammen und Ärzten und macht sich daran, deren Argumente zu widerlegen.

Kreszens Bräu war die Nachfolgerin der Ortshebamme Katharina Mayrhofer in Münchham (heute zu Ering am Inn, Niederbayern). Ihr Lebenslauf war jedoch ganz anders.

Kreszens Bräu wurde als Crescentia Desser am 21. Juli 1814 in Münchham geboren. Sie war das dritte von acht Kindern (sieben Töchter und ein Sohn) des Baders (Arztes) Johann Desser und seiner Frau Maria geb. Werndl, einer Müllertochter. Auch ihr Großvater war schon Bader in Münchham gewesen. Maria Desser ließ alle ihre Geburten von Katharina Mayrhofer begleiten.

"Affenliebe" war ein weit verbreiteter Begriff für Verhätscheln und Versorgen von Kindern, das als übermäßig angesehen wurde. Eltern, die ihr Kind nach Strich und Faden "verwöhnten", überschütten es mit "Affenliebe". Sie ging über das eh schon verpönte "Verwöhnen" hinaus, indem "verwöhnen" - also das Gewöhnen an etwas falsches oder gar schädliches - in einzelnen Punkten und auch unabsichtlich geschehen konnte. Hinter der "Affenliebe" jedoch steckte eine Absicht der Eltern. 

Prügel, Schläge, Klappse - körperliche Gewalt wird seit Ewigkeiten dazu benutzt, um Kindern ein bestimmtes Verhalten aufzuzwingen oder abzugewöhnen. Wie ein Kind richtig zu strafen sei, wurde in vielen Ratgebern aufgegriffen. Daher ist es besonders erbaulich, wenn wir uns vor Augen führen, dass es zu jeder Zeit Eltern gegeben hat, die von dieser Art zu strafen nichts hielten.

In den Kirchenbüchern des Bistums Passau wurden im 19. Jahrhundert die betreuenden Hebammen bei den Geburten notiert. Ich habe diese Daten schon einmal für eine kleine Geburtenstatistik für das Örtchen Kirn für die Jahre 1810-1814 genutzt. Die Daten bieten eine Fülle an Möglichkeiten der Auswertung. Heute habe ich mir eine der Hebammen aus der genannten Statistik vorgenommen und versucht, ihren Lebensweg nachzuverfolgen.

Teil 4 - "Die Mutter und ihr erstes Kind" und andere Nachkriegsratgeber

Stell dir vor, es ist 1987, Du suchst nach einem Buch über Säuglingspflege und hältst in der Buchhandlung einen Ratgeber in der Hand, der modern aufgemacht ist und auf dem Titel wirbt mit "Über 1 Million verkaufte Exemplare". Würdest Du auf den Gedanken kommen, dass knapp 3/4 dieser Auflagenhöhe vor 1945 erschienen ist?

Teil 3 - Der NS-Staat und seine Erziehungspropaganda

Als ich 2007 anfing, mich konkret damit zu beschäftigen, wo die ganzen abstrusen Säuglingspflege-Regeln her kommen, die mir als Stillberaterin begegneten, las ich natürlich auch das Buch von Sigrid Chamberlain über Johanna Haarer. "Prima," dachte ich, "da steht ja alles drin, was ich über Johanna Haarer wissen muss. Dann kann ich mich ja auf andere Zeiten und andere Werke konzentrieren."

Alle Säuglingspflegebücher aus der NS-Zeit, die mir in die Finger gerieten, schienen im Vergleich mit Chamberlains Beschreibung genauso schlimm zu sein, wie das von Johanna Haarer. Mir wurde schnell klar, dass ihr Buch nur eines von vielen war. Eines, das die Eltern kaufen mussten, wohingegen andere Bücher in ähnlich großer Auflage vom NS-Staat kostenlos an die Eltern oder Frischvermählten verteilt wurden.

Teil 2 - Vorläufer der Schwarzen Pädagogik

Die Schwarze Pädagogik war nicht einfach plötzlich da. Genauso wenig, wie Nazis einfach plötzlich da waren. Der Weg zur Schwarzen Pädagogik begann gute 100 Jahre vor dem Dritten Reich. Anhand von Erziehungsratgebern lässt sich ein ziemlich gradliniger Verlauf von bedürfnisorientierter zu bindungsschädigender Säuglingspflege nachverfolgen. Vor allem sehen wir, dass die Ursprünge der destruktiven Erziehungsmethoden in (vermeintlich) gesundheitsfördernden Pflegeanweisungen lagen.

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