Auch wenn die Nabelschnur selten länger als die erste Lebenswoche ein Thema für Eltern ist, so lohnt es sich doch, den Umgang damit in früheren Zeiten einmal genauer zu betrachten.

Heutzutage lassen wir die Nabelschnur, wenn möglich, auspulsieren, bevor sie abgeklemmt und durchtrennt wird. Danach lassen wir sie austrocknen bis sie von allein abfällt. In der Zwischenzeit sorgen wir nur dafür, dass das Baby sich an dem Nabelschnurrest und der Klammer nicht wund scheuert. Doch dieses Verfahren hat sich erst vor nicht allzulanger Zeit etabliert. Davor gab es Diskussionen über den besten Zeitpunkt des Abnabelns, die Art und Weise des Abnabelns und die Nabelpflege. 

Für alleinstehende Frauen mit Kindern gab es früher nicht viele Optionen. Fabrikarbeiterinnengaben ihre Kinder oft in Obhut oder ließen sie allein zuhause. Dienstmägde und Ammen gaben ihre Kinder in Pflege. Eine Frau, deren Ehemann starb, konnte sich erneut verheiraten, um ihren und der Kinder Unterhalt zu sichern. Doch was geschah, wenn der Mann im Gefängnis sass?

Unsere Lebensumstände unterscheiden sich drastisch von denen unserer Vorfahren - selbst von denen unserer Eltern und Großeltern. Welche Neuerung beeindruckt Dich am meisten? Welche fehlt in dieser Aufzählung?

Auf spektrum.de gibt es seit Januar 2019 einen Artikel mit dem Titel "Erziehung für den Führer" von der Psychologin und Journalistin Anne Kratzer, welcher fleißig auf den Social Media geteilt wird. Während er die Folgen schwarzer Pädagogik treffend darstellt, liegt er bei der Historie ziemlich daneben. Leider verfestigt sich dadurch der falsche Blick auf Johanna Haarer und ihren Einfluss auf die heutige Erziehung. Das geht schon im Anrisstext los.

Kindererziehung war immer auch eine Vorbereitung auf spätere Aufgaben. Dementsprechend gab es unterschiedliche Erziehungsratgeber für unterschiedliche Stände. Denn was die Kinder für ihr späteres Leben brauchten, war keineswegs einheitlich. Die Erziehung sollte auf den Beruf vorbereiten. Der Beruf war abhängig vom Stand. 

Die allermeisten der ersten Ratgeber richteten sich an Damen der gehobenen Gesellschaft. Diese hatten das nötige Geld, sich Bücher zu kaufen, und die Zeit und Fähigkeit diese auch zu lesen. Einige andere richteten sich an Bauersleute.

In diesem Blog wurden bereits verschiedene Formen des Co-Sleepings vorgestellt. Lange war es üblich, dass Stillende und Stillkind sich ein Bett teilten, auch wenn es viele Vorurteile gab, die aber auch widerlegt wurden. In Skandinavien schliefen ganze Familien samt Besuch in einem Bett. Auch in vielen Häusern in deutschsprachigen Gebieten teilten sich ganze Familien, wenn nicht das Bett, dann doch zumindest das Schlafzimmer. Das war durchaus Tradition und nicht nur eine Folge von Platzmangel. 

In deutschen Gefilden war es bis weit ins 19. Jahrhundert üblich, dass zumindest das kleinste Kind bei der Mutter schlief. In weniger bemittelten Familien schliefen noch mehr Familienmitglieder in einem Bett, oder zumindest in demselben Zimmer. Und das nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus rein praktikablen Gründen, denn die Kinderbetreuung ist des nachts nunmal einfacher, wenn man nicht durch die Gegend latschen muss. Der dänische Historiker Troels Frederik Lund (1840-1921) zeigt uns in einem Buch von 1882, dass das Familienbett im Skandinavien des 16.-17. Jahrhunderts noch weiter ging. Und er benutzt sogar den Begriff "Familienbett"!

Ich habe zwei neue Lieblingsbücher. Die werden euch auch gefallen. Der evangelische Pfarrer und Pädagoge Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) schrieb 1780 ein Buch mit dem Titel "Anweisung zu einer, zwar nicht vernünftigen, aber doch modischen Erziehung der Kinder". Salzmann störte sich daran, dass seine Mitmenschen sich so häufig darrüber beschwerten, dass ihre Kinder so ungezogen, zänkerisch und ohne Benimm seien. Seiner Meinung nach waren die Eltern selber Schuld daran, dass ihre Kinder so schlecht geraten seien.

Zur Wahl der Amme äußert sich Adolph Henke 1832 folgendermaßen:

"Die vordem mit Recht befolgte Regel, ein Landmädchen den Städterinnen vorzuziehen, leidet in unseren Tagen, wo die Sittenverderbniß und venerische Uebel durch die steten Durchzüge der französischen Heere, eben so sehr auf dem Lande verbreitet sind, auch keine unbedingte Anwendung." 

Taschenbuch für Mütter, Adolph Henke, 1832

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